§ 96. Der Unterstützungswohnsitz. 413
der überlebenden, geschiedenen, getrennt lebenden Mutter, sofern derselben das Erziehungsrecht
zusteht, bezw. sofern die Kinder dem Haushalte der Mutter gefolgt sind (§§ 18—20 U.W. G.).
Sie behalten diesen Unterstützungswohnsitz so lange, bis sie ihn nach Maßgabe der allgemeinen
Vorschriften verloren oder selbstständig einen neuen erworben haben, so daß also der Zeitpunkt
des vollendeten 24. Lebensjahres in diesen Fällen entscheidend ist. Bis zu diesem Zeitpunkte
sind Aufenthalt und Abwesenheit in der Person des Kindes gleichgültig.
3. Der Verlust des Unterstützungswohnsitzes tritt ein a) durch Erwerb eines anderen
Unterstützungswohnsitzes, b) durch zweijährige ununterbrochene Abwesenheit nach zurückge-
legtem 24. Lebensjahre. Der Verlustgrund zu a versteht sich von selbst, da dieser Erwerb nur
durch gleich lange dauernden Aufenthalt vollzogen werden kann.
Die Abwesenheit ist das Gegentheil des armenrechtlichen Aufenthaltes, sie muß daher
nicht bloß eine thatsächliche, sondern auch eine gewollte Trennung vom Orte sein. Die zwei-
jährige Frist läuft von dem Tage, an dem die Abwesenheit begonnen hat. Diese Abwesenheit
ist jedoch nicht gegeben durch Eintritt in eine Kranken-, Bewahr= und Heilanstalt. Ist ferner
die Abwesenheit durch Umstände veranlaßt, durch welche die Annahme der freien Selbstbe-
stimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausgeschlossen wird, so beginnt der Lauf der
zweijährigen Frist erst mit dem Tage, an welchem diese Umstände aufgehört haben. Der Fristen-
lauf ruht, wenn solche Umstände erst nach Beginn der Abwesenheit auftreten. Als Unter-
brechung der Abwesenheit wird die Rückkehr nicht angesehen, wenn aus den Umständen, unter
denen sie erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt nicht fortzusetzen. Die Anstellung oder
Versetzung eines Geistlichen, Lehrers, öffentlichen oder Privatbeamten, sowie einer nicht bloß
zur Erfüllung der Militärpflicht im Heere oder der Kriegsmarine dienenden Militärpersonen
gilt nicht als ein die freie Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausschließender
Umstand. Der Lauf der zweijährigen Frist ruht während der Dauer der von einem Armen-
verbande gewährten öffentlichen Unterstützung. Ebenso wird sie in der gleichen Weise wie die
Frist beim Erwerbe unterbrochen durch den von einem Armenverbande auf Grund des Freizüg-
igkeitseesetzes gestellten Antrag auf Anerkennung der Verpflichtung zur Uebernahme eines Hilfs-
bedürftigen.
Personen, welche den Unterstützungswohnsitz einer anderen Person theilen, wie Ehe-
frau und Kind, verlieren ihn, wenn der Ehemann oder Vater keinen Unterstützungswohnsitz
mehr hat.
Im Gegensatz zu den Personen, welche nach Maßgabe der Vorschriften des Unterstützungs-
wohnsitzgesetzes einen Unterstützungswohnsitz in einem Ortsarmenverbandehaben, nennt man solche
Inländer, denen ein Unterstützungswohnsitz fehlt, Landarme. Dieendgültige Unterstützung der-
selben obliegt den Landarmenverbänden, in deren Gebiete sich der Landarmeim Zeitpunkte der Hilss-
bedürftigkeit befindet. Die Verpflichtung besteht aber nur für die Person des Landarmen,
nicht für seine Familienangehörigen, die ebenfalls Landarme sind und für welche die Verpflicht-
ung der betreffenden Landarmenverbände selbstständig begründet wird (E. d. B. f. d. H. II
S. 18, VII S. 22, XI S. 92). Besondere Vorschriften hinsichtlich der Unterstützung der
Landarmen enthalten die §§ 30 und 33 U.W.G. Diejenigen Personen nämlich, die in einem
hilfsbedürftigen) Zustande aus einer Straf-, Kranken-, Bewahr= und Heilanstalt, in die sie
unfreiwillig verbracht worden sind, entlassen werden, sind von demjenigen Landarmenverbande
zu unterstützen, aus welchem ihre Einlieferung in die Anstalt erfolgte. Ebenso sind Inländer,
welche auf Verlangen einer ausländischen Staatsbehörde aus dem Auslande übernommen
werden und bei der Uebernahme hilfsbedürftig sind oder es innerhalb 7 Tagen nach erfolgter
Uebernahme werden, wenn sie keinen Unterstützungswohnsitz haben, von demjenigen Bundes-
staat zu unterstützen, innerhalb dessen sie ihren letzten Unterstützungswohnsitz gehabt haben.
Die Bundesstaaten können jedoch diese Verpflichtung auf ihre Landarmenverbände übertragen.
Das ist geschehen durch § 37 preuß. Ausf.G. v. 8/3. 1871.