416 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. § 97.
schlußfassung über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten, die Vertretung des Gesammtarmen-
verbandes nach außen, die Formen der Verwaltung und die Aufbringungsweise der Kosten der
gemeinsamen Armenpflege sind in diesem Falle durch ein vom Bezirksausschusse zu bestätigendes
Statut zu regeln (§ 12).
Die Bestimmungen der §§ 3—5, betreffend die Bildung besonderer Deputationen und
die Verpflichtung zur Annahme unbesoldeter Stellen, kommen auch bezüglich der Gesammt-
armenverbände und deren Vertretung zur Anwendung (8 13).
Die Wiederauflösung eines Gesammtarmenverbandes kann nur in den Formen, welche
für die Beschlußfassung über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten vorgeschrieben sind und nur
mit Genehmigung des Bezirksausschusses vorgenommen werden (§ 14).
Der Staatsregierung steht nach Maßgabe der Gemeindeverfassungsgesetze die Aufsicht
über die Verwaltung der Ortsarmenverbände zu. Sie hat insbesondere auch in den Fällen der
§§ 19 ff. 1) darüber zu wachen, daß das Armenvermögen seinen bestimmungsgemäßen Zwecken
nicht entfremdet werde (§ 25).
2. Die Landarmenverbände sollen nach § 5 Abs. 2 U.W. G. der Regel nach eine
Mehrheit von Ortsarmenverbänden umfassen, können sich aber ausnahmsweise auf den Bezirk
eines einzigen Ortsarmenverbandes beschränken. Das preußische Ausf.G. v. 8/3. 1871 hat
die bestehenden Landarmenverbände in § 26 mit einigen Veränderungen aufrecht erhalten.
Außerdem wurde in §27 bestimmt, daß die Grenzen der Landarmenverbände unter Zustimm-
ung der Betheiligten und wo für den Bezirk eines Landarmenverbandes eine besondere Ver-
tretung nicht besteht, unter Zustimmung der Provinzialvertretung durch königliche Verordnung
geändert werden können, ohne diese Zustimmung aber eine solche Aenderung nur im Wege der
Gesetzgebung zulässig ist. In § 28 wurde ferner vorgeschrieben, daß die Verwaltung der An-
gelegenheiten derjenigen Landarmenverbände, welche nur aus einer Gemeinde bestehen, nach den
für die Verwaltung der Angelegenheiten der Gemeinden maßgebenden Vorschriften, in allen
anderen Fällen aber die Verwaltung der Angelegenheiten der Landarmenverbände durch könig-
liche Verordnung den betreffenden Kreis-, bezw. provinzial- und kommunalständischen Verbänden
und deren Organen nach Maßgabe der für dieselben gültigen Verfassungsgesetze zu übertragen ist.
Auf Grund der §§ 27 und 28 des G. v. 8/3. 1871, sowie des § 128 der Pr.O. v.
26/6. 1875, welcher die Uebertragung der Verwaltung der vorhandenen besonderen kommunal=
ständischen Verbände, soweit sie die Fürsorge für Landarme, Geisteskranke, Taubstumme,
Blinde und Idioten betraf, auf die Provinzialverbände vorschrieb und gleichzeitig bestimmte,
daß soweit die Regelung bis zum 1/1. 1878 nicht durch Uebereinkommen zwischen den Ver-
tretungen der kommunalständischen Verbände und der Provinzialvertretung unter Genehmigung
des Ministers des Innern zu Stande kam, durch königliche Verordnung zu erfolgen habe —,
ist durch verschiedene Verordnungen eine Regelung der Landarmenverbände vorgenommen
worden.
Demgemäß bestehen gegenwärtig folgende Landarmenverbände: 1. in Ostpreußen bildet
jeder Stadt= und jeder Landkreis hinsichtlich der öffentlichen Unterstützung der Landarmen, der
1) Es handelte sich bei diesen gesetzlichen Vorschriften um die Aufhebung derjenigen besonderen
Behörden (Armenkommissionen, Hospitien, Kommissionen, Armenverwaltungen, Pflegschaftsräthe u. s. w.),
welche in einigen Landestheilen, insbesondere im Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Köln für die
Verwaltung der örtlichen Armenpflege neben den durch die Gemeinde-Verfassungs-Gesetze angeordneten
Gemeindebehörden bestanden und die Verfügung über die bezüglichen Armenfonds und Armenanstalten.
Hervorzuheben ist, daß nach § 25 den Religionsgesellschaften, den Stiftungen und sonstigen juristischen
Personen die Verwaltung des ihnen gehörigen Armenvermögens verblieb, insoweit diese Verwaltung
nicht auf die gemäß § 19 aufzuhebenden Armenbehörden übergegangen war. Insoweit den Religions=
gesellschaften, den Stiftungen und sonstigen juristischen Personen schon nach den bisherigen Gesetzen
ein Anspruch auf Rückgewähr des in die Verwaltung der aufzuhebenden Armenbehörden übergegangenen
Vermögens zustand, blieb ihnen die Verfolgung desselben im Rechtswege vorbehalten.