Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 99. Das Verfahren in Armensachen und die Armenstreitsachen. 423 
5. Die Zwangsvollstreckung in Armenstreitsachen findet statt: a) auf Grund der 
Entscheidung erster Instanz, die sofort vollstreckbar ist, vorbehaltlich der sofort zu erwähnenden 
Ausnahmen; b) auf Grund und in den Grenzen eines von dem in Anspruch genommenen 
Armenverbande ausgestellten Anerkenntnisses; c) auf Grund einer endgültigen Entscheidung. 
Was die Fälle sub b anlangt, so können die vorläufig unterstützungs= oder übernahme- 
verpflichteten Armenverbände die thatsächliche Vollstreckung der Ausweisung durch eine unter sich 
zu treffende Einigung über das Verbleiben der auszuweisenden Person oder Familie in ihrem 
bisherigen Aufenthaltsorte gegen Gewährung eines bestimmten Unterstützungsbetrages von 
Seiten des endgültig verpflichteten Armenverbandes dauernd oder zeitweilig ausschließen. Ist 
die Einigung urkundlich in Form eines Anerkenntnisses festgestellt, so findet die Zwangsvoll- 
streckung statt (#U. W.G. § 55). 
Ist mit der Ausweisung Gefahr für Leben oder Gesundheit des Auszuweisenden oder 
seiner Angehörigen verbunden, oder ist die Ursache der Erwerbs= oder Arbeitslosigkeit des Aus- 
zuweisenden durch eine im Reichskriegsdienste oder bei Gelegenheit einer That persönlicher 
Selbstaufopferung erlittenen Verwundung oder Krankheit herbeigeführt oder ist sonst die Weg- 
weisung vom Aufenthaltsorte mit erheblichen Härten oder Nachtheilen für die Auszuweisenden 
verbunden, so kann auch bei nicht erreichter Einigung das Verbleiben, der auszuweisenden Person 
oder Familie im Aufenthaltsorte, gegen Festsetzung eines vom verpflichteten Armenverbande zu 
zahlenden Unterstützungsbetrages durch die zur Entscheidung in erster Instauz zuständige Be- 
hörde des Ortsarmenverbandes des Aufenhaltsortes, angeordnet werden. Gegen diese Anord- 
nung, welche bei Fortfall der Voraussetzungen, unter denen sie erlassen ist, jederzeit zurückge- 
nommen werden kann, steht beiden Theilen innerhalb 14 Tagen nach der Zustellung die Be- 
rufung an das Bundesamt für das Heimatwesen zu, das endgültig entscheidet. Dasselbe findet 
statt, wenn der Antrag des verpflichteten Armenverbandes auf Erlaß einer solchen Anordnung 
zurückgewiesen ist. Solange das Verfahren betreffend den Versuch der Einigung oder der Erlaß 
der Anordnung schwebt, bleibt die Vollstreckbarkeit erster Instanz ausgesetzt (§8 56 u. 57. a. O.). 
Die Vollziehung der Exekution liegt der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen 
Behörde des verpflichteten Armenverbandes ob und ist bei derselben unter Beifügung der er- 
forderlichen Urkunden zu beantragen. Wird die bereits vollstreckte Entscheidung erster In- 
stanz durch eine endgültige Entscheidung der höheren Instanz wieder aufgehoben, so hat die zur 
Entscheidung in erster Instanz zuständige Behörde desjenigen Armenverbandes, welcher die 
Vollstreckung erwirkt hat, die erforderlichen Anordnungen zu deren Rückgängigmachung zu 
treffen (§ 54 a. a. O.). 
Ist die Ausweisung durch Transport zu bewerkstelligen, so fallen die Transportkosten 
als ein Theil der zu erstattenden Unterstützungskosten dem hierzu verpflichteten Armenverbande 
zur Last. Streitigkeiten über die Nothwendigkeit des Transportes und über die Art der Aus- 
führung desselben entscheidet endgültig die für die erste Instanz in der Hauptsache zuständige 
Behörde des Armenverbandes des Aufenthaltsortes. 
Ist ein Armenverband zur Zahlung der ihm endgültig auferlegten Kosten laut Bescheinig- 
ung der ihm vorgesetzten Behörde ganz oder theilweise unvermögend, so bleiben die Kosten des 
Verfahrens außer Ansatz, und für die Erstattung der Auslagen und Gebühren muß der be- 
treffende Landarmenverband aufkommen (U.W. G. § 53, Ausf.G. § 33). 
III. Durch die reichsrechtliche Verpflichtung der Armenverbände, die Hilfsbedürftigen 
vorläufig, bezw. endgültig zu unterstützen, werden die Unterstützungsansprüche dieser Per- 
sonen an Dritte, z. B. alimentationspflichtige Verwandte, Dienstherrschaften u. s. w. nicht be- 
rührt. Demzufolge hat jeder Armenverband#), der nach Reichsrecht einen Hilfsbedürftigen zu 
  
1) Nach Art. II Nov. v. 11/7. 18914sind in den Fällen der §§ 31, 31a, d u. e auch die Kreise 
und die anderen daselbst bezeichneten Kommunalverbände berechtigt, die Gewährung der erforderlichen
	        
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