Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

432 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. 8 102. 
IV. Träger der Versicherung. Die Versicherung erfolgt auf alleinige Kosten der 
Betriebsunternehmer auf Gegenseitigkeit. Die Betriebsunternehmer sind zum Zwecke der 
Durchführung der Unfallversicherung nach Berufszweigen in Berufsgenossenschaften gegliedert, 
die juristische Persönlichkeiten haben. Die Bildung der Berufsgenossenschaften erfolgt bei der 
Industrie auf Grund eigener Entschließung der Betheiligten mit Genehmigung des Bundes- 
rathes, event. auf dessen Anordnung. 
Bei den Baubetrieben bilden die Gewerbetreibenden für Hochbauten (Maurer, 
Zimmerer u. s. w. Betriebe) die nach örtlichen Bezirken eingetheilten zwölf Baugewerks= und 
Berufsgenossenschaften. Die Gewerbetreibenden für Tiefb au (Erdbauten u. s. w.) dagegen 
bilden nach gesetzlicher Vorschrift die Tiefbauberufsgenossenschaft. Für Bauten, die ohne 
Uebertragung an Baugewerbetreibende durch den Bauherrn (Staat, Gemeinden u. s. w.) für 
eigene Rechnung ausgeführt werden (Regierungsbauten) gelten eine Anzahl besonderer Be- 
stimmungen (§ 4 Ziff. 4 Bau-U.V. G.). Für die Land= und Forstwirthschaft, die einen 
einzigen, überall vorhandenen, großen Berufszweig bildet, sind ebenfalls Berufsgenossenschaften 
gebildet, die sich an die Verwaltungsorganisation nach Staaten und Provinzen anschließen. 
Für Preußen ist die Abgrenzung und Organisation der Berufsgenossenschaften auf Grund 
des § 110 R.G. v. 5/5. 1886 durch G. v. 20/5. 1887 (G. S. S. 189 ff.)1) in der Weise 
erfolgt, daß in jeder Provinz die Land= und Forstwirthschaft eine Berufsgenossenschaft bildet 
unter Anschluß der hohenzollernschen Lande an die Berufsgenossenschaft der Rheinprovinz, 
der Stadt Berlin an die Berufsgenossenschaft der Provinz Brandenburg und jeder Kreis 
eine Sektion. Eine durch Wahlmänner, welche die Gemeindebehörde beruft, gewählte 
konstituirende Genossenschaftsversammlung oder eine spätere, aus je einem Vertreter 
des Kreises bestehende Generalversammlung hatte das Statut festzustellen und darüber 
zu beschließen, ob die laufende Verwaltung der Genossenschaft an den Provinzialausschuß 
und die Kreis-(Stadt-Ausschüsse (event. besondere Kommissionen) abgegeben werden sollte. Die 
erwähnten Selbstverwaltungsorgane sind verpflichtet, auf einen solchen Beschluß die Verwalt- 
ung der Berufsgenossenschaft auf deren Kosten zu übernehmen. Thatsächlich ist das in allen 
Provinzen geschehen ). An Stelle der Berufsgenossenschaften tritt bei vielen für Rechnung 
des Reiches oder der Bundesstaaten geführten Verwaltungen, theils obligatorisch, theils fakul- 
tativ das Reich, bezw. der Bundesstaat ein, für dessen Rechnung die Verwaltung geführt wird. 
Organ dieser fiskalischen Unfallversicherungen sind besondere Ausführungsbehörden, an Stelle 
des Genossenschaftsstatutes treten Ausführungsvorschriften der Centralbehörden (§§ 2, 10 Aus- 
dehnungs-G., §§ 102, 109 Landwirthschafts-U. V.G., § 103 See-U. V.G., §5 Bau-U.V.G.). 
Auch Kommunalverbände können für ihre Regiebauarbeiten (z. B. Chausseebauten) die 
Unfallversicherung selbst übernehmen, sofern sie hiezu auf ihren Antrag von der Landescentral- 
behörde für leistungsfähig erklärt werden (§ 4 Ziff. 3, 5§ 46, 47 Bau-U. V.G.). In Preußen 
ist dies bezüglich einzelner Provinzial= und Kreisverbände geschehen. 
Mitglied der Berufsgenossenschaft ist jeder Unternehmer eines im Bezirke derselben 
gelegenen Betriebes derjenigen Industriezweige, für welche die Genossenschaft errichtet ist. Die 
  
die bisherige civilrechtliche Haftpflicht des Betriebsunternehmers für sein und seiner Betriebsbeamten 
Verschulden grundsätzlich weg (§§ 95—98 U.V. G.). 
1) Zum landwirthsch. U. V.G. und zum G. v. 20/5. 1887 ist eine Anweisung v. 4/6. 1887 
(M. Bl. d. i. V. S. 125 ff.) ergangen, welche insbesondere bezüglich der Bezeichnung der bei der Unfall- 
versicherung in Betracht kommenden Behörden und Verbände inhaltlich mit der zur Ausführung des 
Krankenversicherungsgesetzes ergangenen Anweisung v. 10/7. 1892 übereinstimmt. Zum Bau-U.V. G. v. 
11/7. 1887 ist eine Bekanntmachung v. 8/12. 1887 ergangen (M. Bl. d. i. V. S. 275), welche ebenfalls 
die Ausführungsbehörden bezeichnet. (Vgl. auch wegen der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte die V. 
v. 26/7. 1886 (G.S. S. 213). 
2) Auf Grund des § 114 landwirthsch. U. V.G. sind Lübeck, Waldeck und Pyrmont, sowie Ge- 
bielstheile des Großherzogthums Oldenburg an preuß. Berufsgenossenschaften angeschlossen worden.
	        
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