Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

436 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. II. Kapitel. § 103. 
Abs. 3), sowie die mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten öffentlicher Verbände oder 
Körperschaften (§ 7); auf ihren Antrag sind zu befreien pensionirte oder auf Wartegeld ge- 
setzte Reichs-, Staats= oder Kommunalbeamte, sowie Empfänger reichsgesetzlicher Unfallrenten, 
sofern die Pension, das Wartegeld oder die Unfallrente wenigstens den Mindestbetrag der In- 
validenrente erreicht (§ 4 Abs. 3). 
Neben der Versicherungspflicht kennt das Gesetz auch eine freiwillige Versicherung, 
jedoch nur in Lohnklasse II und unter gewissen Beschränkungen (§8 117 ff.). 
II. Gegenstand der Versicherung ist eine Rente in zweifacher Form, nämlich als In- 
validenrente und als Altersrente, die sich gegenseitig ausschließen. Die Invalidenrente 
erhält ohne Rücksicht auf das Lebensalter derjenige Versicherte, der dauernd erwerbsunfähig 
ist, die Altersrente derjenige Versicherte, der das 70. Lebensjahr vollendet hat, ohne daß es 
des Nachweises der Erwerbsunfähigkeit bedarf. Beide Renten werden nur geleistet, wenn eine 
Wartezeit von einer bestimmten Zahl von Beitragsjahren zurückgelegt ist, während deren Bei- 
träge des Versicherten entrichtet sein müssen (88 9 ff. und für die Uebergangszeit §§ 156 ff. 
und die Novelle v. 8/6. 1891, R.G. Bl. S. 337). 
Jede Rente besteht aus zwei Theilen, einem festen Zuschusse des Reiches von je 50 M. 
und dem von der Versicherungsanstalt aufzubringenden Betrage. Der letztere richtet sich nach 
der Höhe der entrichteten Beiträge in der Weise, daß die Rente mit jedem Wochenbeitrage um 
einen gesetzlich festgestellten Betrag steigt. Die Invalidenrente wächst demnach mit der Dauer 
der Versicherung; bei der Berechnung der Altersrente werden immer 1410 Beitragswochen — 
30 Beitragsjahren der Wartezeit — in Anrechnung gebracht; eine Steigerung der Altersrente 
nach der Länge der Versicherungsdauer ist daher ausgeschlossen. 
Behufs Berechnung der Renten werden gesetzlich vier Lohnklassen nach Durchschnitts- 
löhnen der Arbeiter gebildet (I. Klasse bis 350 M., II. Klasse von 350,01 bis 550 M., 
III. Klasse von 550,01 bis 850 M., IV. Klasse mehr als 850 M.). Jeder Versicherungs- 
pflichtige muß die Beiträge seiner Lohnklasse entrichten. 
Die Invalidenrente beginnt mit einem Grundstocke von 60 M. jährlich und steigt mit 
jeder vollendeten Beitragswoche in Lohnklasse I um 2 Pfg., in Lohnklasse II um 6 Pfg., in 
Lohnklasse III um 9 Pfg. und in Lohnklasse IV um 13 Pfg. Nach Ablauf der fünfjährigen 
Wartezeit und einschließlich des Reichszuschusses von 50 M., beträgt daher die jährliche In- 
validenrente in Lohnklasse I 114,70 M., in Klasse II 124 M., in Klasse III 131,15 M., in 
Klasse IV 144,55 M. 
Bei der Altersrente besteht ein Grundstock nicht, es wird vielmehr 30 Jahre hindurch 
für jede Beitragswoche ein bestimmter Satz angerechnet. Darnach berechnet sich die Altersrente 
nach Ablauf der 30 jährigen Wartezeit in Lohnklasse I auf 106,40 M., in Klasse II auf 
134,60 M., in Klasse III auf 162,80 M., in Klasse IV auf 191 M. 
Grundsätzlich sollen Alters= und Invalidenrenten neben sonstigen aus öffentlich-recht- 
lichem Titel oder auf Vertrag beruhenden Bezügen unverkürzt gezahlt werden. Jedoch kann 
bei gleichzeitigem Bezuge von Unfallrenten, Pensionen oder Wartegeldern die Rente in mäßigem 
Betrage gekürzt werden; sodann sind Leistungen auf Grund der öffentlichen Armenpflege auf 
die Rente derart zu verrechnen, daß die letztere den Armenverbänden in Höhe der geleisteten 
Armenunterstützung überwiesen wird; endlich können Ansprüche gegen bestehende Fabrikkassen 
u. s. w. bis in die Höhe des Werthes der gesetzlichen Renten ermäßigt werden (88 34, 35, 36). 
Schadensersatzansprüche, welche der Invalide auf Grund seiner Erwerbsunfähigkeit nach 
den Gesetzen über außerkontraktliche Beschädigung zu erheben etwa berechtigt sein würde, gehen 
auf die Versicherungsanstalt insoweit über, als dieselbe Renten zu gewähren hat (§ 39). 
III. Die Aufbringung der zur Versicherung erforderlichen Mittel erfolgt durch das Reich, 
welches zu jeder Rente einen jährlichen Zuschuß von 50 M. leistet und die Arbeitgeber und 
die Versicherten, welche die übrigen Mittel zu gleichen Theilen aufzubringen haben. Die
	        
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