Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

ß 104. Die Gesundheitspolizei und die Gesundheitspflege. 41 
insttute zu tragen, wogegen ihnen andererseits die etwa zur Erhebung gelangenden Gebühren 
zufallen. Von den Gemeinden ist für die öffentlichen Impftermine ein geeignetes Lokal und 
Schreibhilfe zur Verfügung zu stellen. In der Zeit von Anfang Mai bis Ende September 
jeden Jahres nimmt der Impfarzt an den bekannt zu machenden Orten und Tagen für die 
Bewohner des Impfbezirkes Impfungen unentgeltlich vor. Für jeden Impfbezirk wird vor 
Beginn der Impfzeit von der zuständigen Behörde, hinsichtlich der schulpflichtigen Kinder von 
den Schulvorstehern eine Liste angefertigt, in der der Impfarzt vermerkt, ob die Impfung mit 
oder ohne Erfolg vollzogen oder ob und weshalb sie ganz oder vorläufig unterblieben ist. Diese 
Listen, deren Einrichtung der Bundesrath feststellt, werden nach Schluß des Kalenderjahres 
der Behörde eingereicht. Auch die übrigen zur Vornahme von Impfungen berechtigten Aerzte 
sind verpflichtet, in der vorgeschriebenen Form Listen zu führen und am Jahresschlusse dieselben 
der zuständigen Behörde vorzulegen. Ueber jede Impfung wird nach Feststellung ihrer Wirkung 
vom Arzte ein Impfschein nach dem vom Bundesrathe vorgeschriebenen Formulare ausgestellt, 
in welchem bescheinigt wird, entweder, daß durch die Impfung der gesetzlichen Pflicht genügt 
ist, oder daß die Impfung im nächsten Jahre wiederholt werden muß. 
Die Landesregierungen haben nach näherer Anordnung des Bundesrathes dafür zu sorgen, 
daßeine angemessene Anzahl von Impfinstituten zur Beschaffung und Erzeugung von Schutzpocken- 
lymphe eingerichtet werde. Diese Institute geben die Lyumphe an die öffentlichen Impfärzte 
mentgeltlich ab und haben über Herkunft und Abgabe derselben Listen zu führen. Auf Ver- 
langen haben die öffentlichen Impfärzte, soweit ihr Vorrath reicht, Lymphe an andere Aerzte 
mentgeltlich abzugeben. Eine Verpflichtung, die Entnahme von Lymphe von den Impflingen 
zu dulden, besteht für die Eltern und deren Vertreter nicht, und kann ihnen auch durch Polizei- 
verordnung nicht auferlegt werden. 
Nach dem preuß. Regulativ v. 8/8. 1835 konnte beim Ausbruche einer Blatternseuche 
die Zwangsimpfung auch erwachsener Personen angeordnet werden; diese Bestimmung ist jedoch 
für aufgehoben zu erachten, da durch das Reichsimpfgesetz der Umfang der Impfpflicht in einer 
weitergehende landesgesetzliche Vorschriften ausschließenden Weise geregelt ist. 
2. Die sogenannte Lebensmittelpolizei!). Auf dieselbe bezügliche Vorschriften 
enthält das R. Str. G. B. §§324—326 u. 367 Nr. 1. Da diese Strafbestimmungen und die sie 
ergänzenden landespolizeilichen wie lokalpolizeilichen Vorschriften nicht ausreichend erschienen, 
erging das R.G. v. 14/5. 1879 über den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und 
Verbrauchsgegenständen (R.G.Bl. S. 145; Nov. v. 29/6. 1887, R.G.Bl. S. 276). Das- 
selbe ergänzt zunächst in den §§ 12 und 13 die oben erwähnten auf die Gesundheitspolizei be- 
züglichen und in §§ 10 und 11 die gegen den Betrug und Fälschung gerichteten Vorschriften 
des Reichsstrafgesetzbuches. Das R.G. v. 14/5. 1879 hat aber ferner denjenigen Polizeibe- 
hörden, welche nach Landesrecht die Aufsicht über das Gesundheitswesen und den Verkehr mit 
Lebensmitteln haben, gewisse Befugnisse beigelegt: a) das Recht in Räumlichkeiten, in welchen 
die genannten Gegenstände feilgehalten werden, während der üblichen Geschäftsstunden oder 
während diese Räumlichkeiten dem Verkehre geöffnet sind, einzutreten; b) Proben der Gegen- 
stände, die sich in den angegebenen Räumlichkeiten befinden, oder welche an öffentlichen Orten 
oder im Umherziehen verkauft oder feilgeboren werden, zum Zwecke der Untersuchung gegen 
Entschädigung zu entnehmen; c) bei Personen, die wegen vorsätzlicher Uebertretung der §8 10, 
12, 13 d. G. v. 14/5. 1879 zu einer Freiheitsstrafe verurtheilt worden sind, innerhalb der 
Zeit von Rechtskraft des Urtheiles bis nach Ablauf von drei Jahren seit Verbüßung, Erlaß 
oder Verjährung der Strafe in den Räumlichkeiten, wo die betreffenden Gegenstände hergestellt, 
aufbewahrt oder feilgehalten worden, während der Geschäftszeit oder während die Räumlichkeiten 
dem Verkehre geöffnet sind, Revisionen vorzunehmen (§ 2—4 a. a. O.). 
1) Finkeln burg, Art. Lebensmittelkontrolle und Nahrungs= und Genußmittel 
(Verfälschung derselben) in Stengel's Wörterbuch des Verw.-R, II, S. 30 ff. u. S. 152 u. I. Erg.-Bd., S. 145. 
 
	        
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