8 105. Das Heilpersonal und die Heilanstalten. 443
verhältnisse dieser Personen sind theils durch das Reichsrecht, theils durch landesrechtliche
Vorschriften geregelt.
Was zunächst die Aerzte, Wundärzte und Geburtshelfer anlangt, so hat die
Reichsgewerbeordnung den Grundsatz aufgestellt, daß die Ausübung der Heilkunde freigegeben
und Jedermann berechtigt ist, die Heilkunde auszuüben. Die Aerzte sind deshalb auch zur
ärztlichen Hilfeleistung nicht mehr verpflichtet und in der Vereinbarung des Honorars an obrig-
keitliche Taxen nicht gebunden; als Norm für streitige Fälle können jedoch für dieselben Taxen
von der Centralbehörde festgestellt werden (vgl. Rönne IV, S. 226 Note 1).
Beschränkt ist der Grundsatz der Freigabe der Heilkunde jedoch in soferne, als nach § 29
R.Gew.O. diejenigen Personen, welche sich als Aerzte (Wundärzte, Augenärzte u. s. w.) oder
mit gleichlautenden Titeln bezeichnen wollen oder seitens des Staates oder einer Gemeinde als
solche anerkannt oder mit amtlicher Funktion betraut werden sollen, einer Approbation be-
dürfen, welche auf Grund des Nachweises der Befähigung ertheilt wird, ohne daß jedoch diese
Approbation von der vorherigen akademischen Doktorpromotion abhängig gemacht werden darf.
Andererseits sind unter den vom Bundesrathe bestimmten Voraussetzungen (Bek. d. R.K. v.
9/12. 1869, B.G.Bl. S. 687 und v. 19/7. 1872, R.G. Bl. S. 351) Personen wegen er-
probter wissenschaftlicher Leistungen von der vorgeschriebenen Prüfung ausnahmsweise zu ent-
binden. Die Approbation ist für das ganze Reich gültig und berechtigt ihren Besitzer, innerhalb
des Reiches den Ort zu wählen, wo er sein Gewerbe betreiben will. Befugt zur Ausstellung
der Approbation als Arzt für das Reichsgebiet sind nach § 1 Bek. d. R.K. v. 2/6. 1883
(C.Bl. f. d. d. R. S. 119) die Centralbehörden (Ministerien) derjenigen Bundesstaaten, die
eine oder mehrere Landesuniversitäten haben.
Die Approbation wird demjenigen ertheilt, der die ärztliche Prüfung bestanden hat,
welche von jeder ärztlichen Prüfungskommission bei einer Universität des deutschen Reiches
abgelegt werden kann.
Die Approbation darf nicht auf Zeit ertheilt und nur dann zurückgenommen werden,
wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf Grund deren solche ertheilt worden
sind, oder wenn dem Inhaber der Approbation die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind;
im letzteren Falle jedoch nur für die Dauer des Ehrenverlustes (§§ 40, 53 Abs. 2 R.Gew.O.).
Auch Klage der zuständigen Behörde auf Zurücknahme der Approbation entscheidet der Bezirks-
ausschuß (Z.G. § 120) in dem in §§ 20, 21 R.Gew.O. geregelten Verfahren.
Die Unterordnung der Aerzte unter die Aufsicht und Disciplin der Medizinalbehörden
ist in Folge der Freigabe der ärztlichen Praxis weggefallen, dagegen wurden durch V. v. 25/5.
1887, betreffend der Einrichtung einer ärztlichen Ständevertretung (G. S. S. 169) für Preußen
Aerztekammerrn errichtet, deren Geschäftskreis die Erörterung aller Fragen und Angelegen-
heiten umfaßt, welche den ärztlichen Beruf oder das Interesse der öffentlichen Gesundheits-
pflege betreffen, oder auf die Wahrnehmung und Vertretung der ärztlichen Standesinteressen
gerichtet sind ½.
Für jede Provinz ist eine Aerztekammer am Amtssitz des Oberpräsidenten, der auch
nach § 13 d. V. die allgemeine Staatsaufsicht über die Aerztekammer und deren Vorstand
führt, zu errichten; der Bezirk der Aerztekammer der Provinz Brandenburg umsaßt jedoch zu-
gleich den Stadtkreis Berlin, der der Rheinprovinz zugleich die hohenzollern'schen Lande.
Die Mitglieder der Aerztekammer werden jeweils auf drei Jahre gewählt. Die Wahl erfolgt
den, Zahnärzte in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 58, 88, 123, 488, 628, 647,
691, 844, II, S. 90, 937. — Finkelnburg, Art. Blindenanstalten, Idiotenanstalten,
Taubstummmenanstalten. Ebendaselbst I. S. 222, 667, II, 615.
1) Vgl. V. v. 21/7. 1892 (G. S. S. 222) über die Zuziehung von Vertretern der Aerztekammern
zu den Sitzungen der Provinzial-Medizinal-Kollegien und der wissenschaftlichen Deputation für das
Medizinalwesen.