Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

448 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. § 108. 
wäre. Es wird deshalb auch bei der nachfolgenden Darstellung der einzelnen Materien der 
wirthschaftlichen Verwaltung eine bis ins Einzelne gehende Scheidung der Volkswirthschafts- 
polizei und der Volkswirthschaftspflege nicht gemacht. Das Eingreifen des Staates auf dem 
Gebiete des wirthschaftlichen Lebens kann ferner entweder das wirthschaftliche Leben überhaupt 
oder die einzelnen Produktionszweige zum Gegenstande haben. Darnach scheiden sich Volks- 
wirthschaftspflege und Volkswirthschaftspolizei in einen allgemeinen und einen speziellen Theil. 
II. Auf dem Gebiete der Volkswirthschaftspflege und Volkswirthschaftspolizei ist die 
Zuständigkeit des Reiches eine sehr weitgehende (R.V. Art. 4 Z. 1—11, 15) und zwar hat 
in einzelnen Zweigen das Reich sich nicht bloß das Recht der Gesetzgebung beigelegt, sondern 
auch die Verwaltung übernommen, wie z. B. die Post= und Telegraphenverwaltung oder es ist 
nur für die Gesetzgebung zuständig, wie z. B. beim Gewerbewesen, während die Verwaltung 
Sache der Einzelstaaten ist. Dem entsprechend wird auch die wirthschaftliche Verwaltung theils 
von Reichs-, theils von Landesbehörden besorgt und zwar sind diese Behörden theils Spezial- 
behörden, wie z. B. Eisenbahnbehörden, Bergbehörden u. s. w. oder es werden die Angelegen- 
heiten der Volkswirthschaftspolizei und Volkswirthschaftspflege von den Behörden der allge- 
meinen Landesverwaltung besorgt. Außer den verfügenden und anordnenden Behörden kommen 
aber auf dem Gebiete der wirthschaftlichen Verwaltung auch noch verschiedene kollegialisch or- 
ganisirte Vertretungen gewisser Interessengruppen vor, welche lediglich über wirthschaftliche 
Verhältnisse Bericht zu erstatten und über wirthschaftliche Fragen Gutachten abzugeben haben, 
wie das Landesökonomiekollegium, die Handels= und Gewerbekammern u. s. w. Auf diese Or- 
ganisationen wird später noch im Einzelnen genauer einzugehen sein ½. 
§ 108. Die Baupolizei2). Die Baupolizei und das öffentliche Bauwesen sind scharf 
auseinander zu halten, wenn auch dieselben Behörden bei beiden Verwaltungsthätigkeiten be- 
theiligt sind: Mit dem Ausdrucke „öffentliches Bauwesen“ wird die gesammte Bauthätig- 
keit des Staates 3) bezeichnet, gleichgültig, ob dieselbe im rein fiskalischen Interesse oder auch, 
bezw. ausschließlich im Interesse der Gesammtheit erfolgt. Das öffentliche Bauwesen zerfällt 
in 1. den Hochbau (die Ausführung und Unterhaltung der für die verschiedenen öffentlichen 
Zwecke erforderlichen Gebäude), 2. den Straßenbau (Herstellung und Unterhaltung der Staats- 
1) Ein begutachtendes Centralorgan war durch V. v. 17/11. 1880 (G. S. S. 367) geschaffen 
worden im Volkswirthschaftsrath, welcher die Entwürfe von Gesetzen und Verordnungen, die 
wichtige wirthschaftliche Interessen von Handel, Gewerbe, Land= und Forstwirthschaft betreffen, bevor 
sie dem Könige zur Genehmigung unterbreitet wurden, und ebenso Anträge und Abstimmungen Preußens 
im Bundesrathe, welche sich auf derartige Gesetze und Verordnungen des Reiches beziehen, begutachten 
sollte. Derselbe bestand aus 75 auf 5 Jahre berufenen Mitgliedern, von denen 45 aus der doppelten 
Zahl der von den Handelskammern, kaufmännischen Korporationen und landwirthschaftlichen Vereinen 
vorzuschlagenden Personen erwählt, die übrigen unmittelbar vom Könige ernannt wurden. Der Volks- 
wirthschaftsrath zerfiel in drei Sektionen, des Handels, des Gewerbes und der Land= und Forstwirth= 
schaft, die durch ständige Ausschüsse (5 von der Sektion gewählte und 10 von den zuständigen Ministern 
bezeichnete Mitglieder) vertreten wurden. Die Mitglieder der Sektionsausschüsse bildeten zusammen den 
ständigen Ausschuß des Volkswirthschaftsrathes (ogl. Gneist, Art. Volkswirtschaftsrath in 
Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, II, S. 823 ff.). Im Staatshandbuch für 1892 ist der Volks- 
wirthschaftsrath nicht mehr aufgeführt, die Staatsregierung scheint daher denselben als stillschweigend 
aufgehoben zu betrachten. 
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 303 ff., III, S. 231 ff.— 
Bornhak, Preuß. Staatsrecht, II, S. 213 ff. — Hue- de Grais, Handbuch der Verfassung und 
Verwaltung, 8. Aufl. (1892), S. 324. — Leuthold, Art. Baugewerkschulen, Baumeister, 
Baupolizei, Bauwesen in Stengel's Wörterbuch des Verwaltungsrechts, I, S. 124 ff. — Grote- 
fend, Preuß. Verw.-Recht, II, S. 860 u. 881. 
3) Wie es ein öffentliches Bauwesen des Staates gibt, so gibt es auch ein öffentliches Bau- 
wesen der Gemeinden und Kommunalverbände. Einen der wichtigsten Zweige des kommunalen Bau- 
wesens bildet jetzt nach Uebergang der Staatsstraßen und ihrer Herstellung und Unterhaltung auf die 
Provinzen durch § 18 des Dotations-G. v. 8/7. 1875 auf die Provinzialverbände, das Straßenbau- 
wesen der Provinzen. 
 
	        
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