Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

450 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. 8 108. 
Vorschriften, die diese Freiheit des Eigenthümers beschränken, sind nun verschieden, je nachdem 
es sich um Bauten innerhalb einer Ortschaft oder außerhalb einer solchen handelt. 
1. Für Bauten innerhalb der Ortschaften gilt jetzt das für die ganze Monarchie 
erlassene G. v. 2/7. 1875, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen 
in Städten und ländlichen Ortschaften (G. S. S. 561, eingeführt in Lauenburg durch G. v. 
25/2. 1878 G. S. S. 97)1). Nach §§ 1—4 d. G. erfolgt die Festsetzung der Straßen und 
Baufluchtlinien für die Anlegung oder Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und 
ländlichen Ortschaften durch den Gemeindevorstand im Einverständnisse mit der Gemeinde, 
bezw. deren Vertretung, dem öffentlichen Bedürfnisse entsprechend unter Zustimmung der Orts- 
polizeibehörde, welche aus polizeilichen Rücksichten die Festsetzung zu verlangen berechtigt ist. 
Die erforderliche Zustimmung der Ortspolizeibehörde zu dem Bebauungsplane darf 
lediglich aus polizeilichen Rücksichten versagt werden. Bei Meinungsdifferenzen zwischen der 
Gemeinde und der Ortspolizeibehörde, hinsichtlich der Festsetzung, beschließt auf Antrag eines 
Theiles der Kreisausschuß, in Stadtkreisen und Städten von über 10000 Einwohner — für 
Hannover in allen Städten mit Ausnahme der in § 27 hann. Kr. O. genannten — der Bezirks- 
ausschuß, in Berlin der Minister für öffentliche Arbeiten. Nach erfolgter Festsetzung wird der 
Plan durch den Gemeindevorstand zu allgemeiner Einsicht offen gelegt, bezw. wenn es sich nur 
um einzelne Grundstücke handelt, den betheiligten Eigenthümern bekannt gemacht. Ueber die 
von den Betheiligten beim Gemeindevorstande erhobenen Einwendungen entscheiden die bereits 
genannten Behörden. Ebenso wird verfahren, wenn bei der Festsetzung der Fluchtlinien 
mehrere Gemeinden betheiligt sind, deren Vertreter sich nicht einigen können. Nach Erledigung 
dieser Differenzpunkte wird der Bebauungsplan vom Gemeindevorstande förmlich festgestellt 
und bekannt gemacht. In den Städten Berlin, Potsdam, Charlottenburg und deren nächster 
Umgebung bedarf es aber hierzu königlicher Genehmigung. Mit dem Tage der Offenbarung 
des Planes auf Grund der endgültigen Feststellung beginnt die Beschränkung des Grundeigen- 
thümers dahin, daß Neubauten, An= und Ausbauten über die Fluchtlinie versagt werden 
können. Gleichzeitig erhält die Gemeinde das Recht, die durch die festgesetzten Straßenflucht- 
linien für Straßen und Plätze bestimmten Grundflächen dem Eigenthümer zu entziehen (§§ 5 
bis 10 d. G. v. 2/7. 1875, § 146 Z.G.). 
Durch Ortsstatut, über dessen Abfassung die einzelnen Gemeindegesetze entscheiden, 
kann ferner nach § 12 d. G. festgestellt werden, daß an Straßen oder Straßentheilen, welche 
noch nicht gemäß den baupolizeilichen Vorschriften des Ortes für den öffentlichen Verkehr oder 
den Anbau hergestellt sind, Wohngebäude, die nach diesen Straßen einen Ausgang haben, nicht 
errichtet werden dürfen. Das Ortsstatut bedarf der Bestätigung des Bezirksausschusses, gegen 
dessen Beschluß innerhalb zweier Wochen ausschließender Frist die Beschwerde beim Provinzial- 
rathe zulässig ist. In Berlin tritt an die Stelle des Bezirksausschusses der Minister des 
Innern (Z.G. § 146 Abs. 2) der selbstverständlich endgültig entscheidet und dem auch die Be- 
stätigung der Statuten nach §8§ 12 u. 15 G. v. 2/7. 1875 zusteht. 
Eine Entschädigung wird wegen der auf Grund eines Ortsstatutes eintretenden Baube- 
schränkungen an unregulirten Straßen überhaupt nicht, und wegen Entziehung oder Beschränk- 
ung des von der Festsetzung neuer Fluchtlinien betroffenen Grundeigenthumes nur unter ge- 
wissen Voraussetzungen gewährt. Die Feststellung der Entschädigung und die Vollziehung der 
Enteignung geschieht im Uebrigen nach den Grundsätzen des Enteignungsrechtes (68 13, 14 
G. v. 2/7. 1875). 
2. Für Bauten außerhalb der Ortschaften, sogen. Ansiedelungen, bezw. 
Kolonien — mehrere im Zusammenhange liegende Ansiedelungen — bestehen für einzelne 
  
1) Friedrichs, das G. v. 2/7. 1875, betr. die Anlegung und Veränderung von Straßen 
und Plätzen u. s. w., Berlin 1882.
	        
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