8 III. Das öffentliche Wasserrecht. 457
Fischerei, in Betracht: 1. als Verkehrsmittel — die Wasserstraßen —; 2. als befruchtendes
Element für die Landwirthschaft; 3. als Triebkraft für Gewerbe und Industrie; 4. als zer—
störende Naturkraft — Uferschutz und Deichwesen.
II. Die Wasserstraßenh sind, abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden
Meere, entweder internationale (konventionelle) oder nationale. Die internationalen Wasser—
straßen sind die vom Meere aus schiffbaren Flüsse, welche, sei es der Länge oder der Breite
nach, mehrere Staaten durchfließen; nationale Wasserstraßen sind dagegen diejenigen, die auf
dem Gebiete eines Staates beginnen und enden. Bezüglich der internationalen Wasserstraßen
gilt im neueren Völkerrechte der Grundsatz, daß auf ihnen und ihren Nebenflüssen, soweit sie
schiffbar sind, die Schiffahrt für die Angehörigen aller Staaten frei ist ?2). Im Uebrigen ist die
Frage der Benützung der internationalen Wasserstraßen durch verschiedene Staatsverträge ge-
regelt, weshalb sie auch konventionelle Flüsse heißen. Bezüglich der Preußen durchströmenden
internationalen Flüsse ist dasselbe in der Verfügung über diese Wasserstraßen durch die Vor-
schriften des Völkerrechtes, bezw. die Bestimmungen der betreffenden Staatsverträge gebunden,
während es bezüglich der Regelung der Rechtsverhältnisse der nationalen Gewässer freie Hand
hat, soweit nicht die Zuständigkeit des Reiches eingreift. Das Reich ist aber zunächst nach
Art. 4 Nr. 8 R.V. zuständig zur Herstellung von Wasserstraßen im Interesse der Landesvertheidig-
ung und des allgemeinen Verkehres; ferner unterliegt nach Art. 4 Nr. 9 R.V.f-er# Gesetzgeb-
ung und Beaufsichtigung des Reiches der Flößerei= und Schiffahrtsbetrieb auf den mehreren
Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der letzteren, sowie die Fluß= und sonstigen
Wasserzölle. In weiterer Ausführung dieser Zuständigkeit schreibt dann Art.5 4 R.V. vor, daß in den
Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten die
Kauffahrteischiffe sämmtlicher Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen und behandelt werden müssen.
Die Abgaben, welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen für die Benutz-
ung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen
Herstellung dieser Anstalten erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf allen natürlichen
Wasserstraßen ist die Erhebung von Abgaben nur für die Benützung besonderer, zur Erleichter-
ung des Verkehres bestimmter Anstalten zulässig. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für
die Befahrung solcher künstlicher Wasserstraßen, welche Staatseigenthum sind, dürfen die zur
Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten erforderlichen Kosten nicht über-
steigen. Auf die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselben auf
schiffbaren Wasserstraßen betrieben wird. Außerdem steht die Befugniß auf fremde Schiffe
oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundes-
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 568 ff. — Bornhak,
Preuß. Staatsrecht, III, S. 424 ff. — Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung
u. s. w., 8. Aufl., S. 416 und 476 ff. — O. Mayer, Art. Kanäle und Ströme in Stengel's
Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 702 ff., II, S. 590 ff. — Hermes, Art. Unterhaltung
der fließenden Gewässer, a. a. O., II, S. 647 ff.
2) Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts, II, S. 277—406. — Die Wiener Kongreßakte
hatte bereits in den Art. 108—117 einige allgemeine Grundsätze über die sog. internationalen Flüsse
aufgestellt (Freiheit der Schiffahrt, einheitliche Regelung der Flußpolizei und der Schiffahrtsabgaben;
Beschränkung der bestehenden Stapel= und Umschlagsrechte und Verbot der Errichtung neuer). Die
Durchführung dieser Grundsätze im Einzelnen erfolgte durch besondere Verträge der betheiligten Staaten
für jedes Stromgebiet. In Betracht kommen 1. die Rheinschiffahrtsakte v. 31/3. 1831, an deren Stelle
die revidirte Rheinschiffahrtsakte v. 17/10. 1869 (G. S. 1869 S. 798) getreten ist. Zur Ausführung
derselben erging das G. v. 17/3. 1870 (G.S. S. 187); 2. die Elbschiffahrtsakte v. 23/6. 1821 mit
der Additionalakte v. 13/4. 1844 (G. S. 1822, S. 9; 1844, S. 518 bezw. 457); 3. die Weserschiff-
fahrtsakte v. 22/11. 1823 mit der Additionalakte v. 3,9. 1857 und Abänderungen durch die Schluß-
protokolle v. 21/12. 1825, 16/8. 1839 u. 7/10. 1861 (G.S. 1824, S. 25, 39, 1858, S. 453). Die
Aufhebung der Flußzölle erfolgte für Rhein und Weser durch die vorerwähnten Verträge, für die Elbe
durch B.G. v. 11/7. 1870 (B.G.Bl. S. 416). Vgl. dazu Staatsvertrag mit Oesterreich v. 22/6. 1870
(B.G. Bl. S. 417). Vgl. auch Grotefend, Preuß. Verw.-Recht, II, S. 529.