Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 116. Der Grundbesitz und die Landwirthschaft. 488 
Für das übrige Staatsgebiet beruht das Verfahren auf der V. v. 20/6. 1817 nebst No- 
vellen v. 7/6. 1821, 30/6. 1834 und 22/11. 1844, welche Vorschriften durch die angeführten 
Gesetze auf Neuvorpommern und Rügen und die Rheinprovinz für alle Theilungen und Ab- 
lösungen, auf dem linken Rheinufer jedoch nur für diejenigen, welche mit Zusammenlegungen 
verbunden sind 1), auf Schleswig-Holstein, Hohenzollern und Hessen-Nassau mit Ausnahme des 
Güterkonsolidationswesens im Regierungsbezirke Wiesbaden ausgedehnt wurden. 
Das Verfahren gliedert sich in das eigentliche Regulirungsverfahren und in das Streit- 
verfahren. Ersteres findet statt vor den Spezialkommissarien und umfaßt die Instruktion der 
Sache. Erklären sich die Betheiligten ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden, so 
kann durch Vollziehung des Auseinandersetzungsrezesses vor den Spezialkommissarien mit 
nachfolgender Bestätigung der Generalkommission die Auseinandersetzung überhaupt zu Ende 
geführt werden. Entstehen Streitigkeiten unter den Betheiligten, so erfolgt deren Entscheid- 
ung durch die Generalkommissionen, in der Berufungsinstanz durch das Oberlandeskultur- 
gericht, und in der Revisionsinstanz durch das Reichsgericht. Das Streitverfahren ist durch 
G. v. 18/2. 1880 über das Verfahren in Auseinandersetzungsangelegenheiten geregelt, das 
grundsätzlich die Bestimmungen der Civilprozeßordnung beibehalten, sie aber in einer Anzahl 
von Punkten mit Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse der Regulirungen abgeändert hat. 
V. Die im Interesse der Freiheit des Grundeigenthums erlassenen Agrargesetze hatten 
zum Ziel, den Grundbesitz von den Lasten zu befreien, die die mittelalterliche Staats= und 
Rechtsordnung ihm aufgebürdet hatte. Um zu verhüten, daß in Zukunft nicht wieder eine 
ähnliche Belastung eintrete, enthielten alle Agrargesetze mit ganz vereinzelten Ausnahmen, in 
weiterer oder engerer Fassung das Verbot, bei erblicher Ueberlassung eines Grundstückes das- 
selbe anders als zu vollem Eigenthume zu übertragen; gleichzeitig wurde die Unablösbarkeit 
etwaiger Geldrenten und sonstiger Reallasten ausgeschlossen. Diese Bestimmungen trugen dem 
Gesichtspunkte einer zweckmäßigen Vertheilung des Grundbesitzes nicht hinreichend Rechnung 
und erschwerten die sogenannte innere Kolonisation durch Errichtung ländlicher Stellen von 
mittlerem und kleinem Umfange auf von größeren Gütern abgetrennten Grundstücken. Zur 
Beseitigung dieses Mißstandes und zugleich zur Beförderung der Nutzbarmachung von unkul- 
tivirten Hochmoor= und Haideflächen durch Kolonisation, ist das Institut der Rentengüter 
zur Einführung gelangt, d. h. von Besitzungen, bei deren eigenthümlicher Uebertragung der 
Erwerber die Zahlung einer festen Geldrente übernimmt und den Betheiligten gestattet ist, 
innerhalb der vom Gesetze gezogenen Grenzen vertragsmäßig dem Besitzer gewisse Einschränk- 
ungen in der Verfügung über das Rentengut aufzuerlegen, auch die Ablösbarkeit der Rente 
von der beiderseitigen Zustimmung abhängig zu machen. 
Zuerst wurde das Rentengut eingeführt durch das Gesetz, betreffend die Beförderung 
deutscher Ansiedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen v. 26/4. 1886 (G.S. 
S. 131) in dem durch die Zwecke dieses Gesetzes beschränktem Umfange. Eine allgemeine Ein- 
führung der Rentengüter bezweckte das G. v. 27/6. 1890 über die Rentengüter (G. S. S. 209). 
Dasselbe gestattet die eigenthümliche Ueberlassung eines — von Hypotheken= und Grundschulden 
freien — Grundstückes gegen Uebernahme einer festen Geldrente, deren Ablösbarkeit von der Zu- 
stimmung beider Theile abhängt. Um eine möglichst umfangreiche Anwendung des Gesetzes 
herbeizuführen, erging das G. v. 7/7. 1891, betreffend die Beförderung der Errichtung von 
Rentengütern (G. S. S. 279, M.-Anw. v. 16/11. 1891) 2), welches zu Gunsten „mittlerer“" 
  
1) Nach dem G. v. 19/5. 1851 (G.S. S. 383) erfolgt der Urtheilsspruch über die Theilungen 
und Ablösungen durch die Gerichte; an die Stelle des Sühneversuchs hat aber ein Vorverfahren vor 
einem Kommissar der Regierung zu treten. Nach dem Zusammenlegungs-G. v. 24/5. 1885 ist an die 
Stelle der Bezirksregierungen die Generalkommission in Düsseldorf getreten. 
2) Mahraun, die preuß. Rentengutsgesetze 1892. — Andresen, die Rentengütergesetze in 
Preußen 1892. — Glatzel, Art. Rentengüter in Preußen in Stengel's Wörterbuch des Verwaltungs- 
31“
	        
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