Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 122. Gewerbe und Indufstrie. 503 
des Gewerbebetriebes, insbesondere die Konzessionspflicht hinsichtlich verschiedener Gewerbe beseitigt. 
Ferner erging für alle im J. 1866 mit der Monarchie vereinigten Landestheile mit Ausnahme der 
vormals bayerischen Enklave Kaulsdorf und des Oberamts Meisenheim 1) das G. v. 17/3. 1868, betr. 
die Aufhebung und Ablösung gewerblicher Berechtigungen (G. S. S. 249), welches die in den genannten 
Landestheilen noch bestehenden ausschließlichen Gewerbeberechtigungen und die damit verbundenen 
Zwangsrechte beseitigte und außerdem alle noch bestehenden ausschließlichen Zwangs= und Bannrechte 
theils ohne Entschädigung aufhob, theils für ablösbar erklärte, und endlich auch alle Berechtigungen, 
Konzessionen zu gewerblichen Anlagen oder zum Betriebe von Gewerben zu ertheilen, für weggefallen 
erklärte. 
II. Gegenwärtig sind das Gewerbewesen und die Verhällnisse der Industrie geregelt 
durch die Reichsgewerbeordnung vom 22/6. 1869 (B.G. Bl. S. 245) und die dazu er- 
gangenen Novellen vom 12/6. 1872, 2/3. 1874, 8/4. 1876, 17/7. 1878, 23/7. 1879, 
15/7. 1880, 18/7. 1881, 1/7. 1883, 8/12. 1884, 23/4. 1886, 6/7. 1887 und 1/6. 1891. 
Die auf dem Grundsatze der Gewerbefreiheit beruhende Reichsgewerbeordnung hat dem Lan- 
desrechte nur sehr geringen Raum gelassen. Die Landesgesetzgebung ist im Wesentlichen be- 
schränkt auf Ausführungsbestimmungen zur Reichsgewerbeordnung und die Regelung einzelner 
Materien, die reichsgesetzlich der Landesgesetzgebung vorbehalten sind. Dagegen ist die Ver- 
waltung des Gewerbewesens, insbesondere die Anwendungder reichs= und landesrechtlichen Vor- 
schriften, in vollem Umfange den Organen der Einzelstaaten verblieben. Die nachfolgende 
Darstellung wird sich daher in der Hauptsache auf die dem Landesrechte überlassenen Materien 
und die Zuständigkeit und das Verfahren in Gewerbeangelegenheiten zu beschränken haben. 
A. Das stehende Gewerbe. Die R.Gew.O. (88§ 1 und 5) bestimmt, daß vorbe- 
haltlich der Zoll-, Steuer= und Postgesetze der Gewerbebetrieb nur insofern Beschränkungen 
unterliegt, als sie die Gewerbeordnung selbst vorschreibt oder zuläßt; in Folge dessen sind in 
der Gew.O. (§8 2, 3, 11, 13) verschiedene bisherige Beschränkungen ausdrücklich be- 
seitigt worden. Eine Reihe ausschließlicher Gewerbeberechtigungen wurde sofort aufgehoben, 
andere wurden für ablösbar erklärt unter gleichzeitigem Verbote der Neubegründung solcher 
Rechte 2). Von diesen Vorschriften sind ausdrücklich ausgenommen die Abdeckereiberechtig- 
ungens);, die preuß. G.G. v. 31/3. 1858, 17/3.1868 u. 17/12. 1872 (G. S. 1858 S. 333, 
1868 S. 249, 1872 S. 717) haben jedoch die Zwangs= und Bannrechte der Abdeckereien, 
deren Aufhebung nach den Verleihungsurkunden ohne Entschädigung zulässig war, oder welche 
dem Fiskus, einer Kämmerei, Gemeinde oder Korporation von Gewerbetreibenden zustanden, 
und ebenso die ausschließlichen Gewerbeberechtigungen aufgehoben und die hiernach noch fort- 
bestehenden Zwangs= und Bannrechte der Abdecker auf Antrag der Pflichtigen gegen eine dem 
Werthe des Rechtes entsprechende Jahresrente oder das Zwanzigfache derselben als Kapital 
für ablösbar erklärt“). 
Die Zulassung zum stehenden Gewerbebetriebe ist ausdrücklich nur den in der Gewerbe- 
ordnung enthaltenen Beschränkungen unterworfen (Anzeigepflicht bei den nach den Landes- 
gesetzen zuständigen Behörde, in Preußen die Gemeindebehörde, §§ 14, 15, 148 Gew.O.); 
an weitere im Gesetze nicht vorgesehene Bedingungen kann die Polizei die Zulassung nicht 
  
1) In Kaulsdorf und in Meisenheim waren bereits durch die V.V. v. 22/5. 1867 (G. S. S. 729) 
und v. 20/9. 1867 (G. S. S. 1534) die im Regierungsbezirk Erfurt, bezw. im westrheinischen Theile 
des Regierungsbezirks Koblenz geltenden preuß. Gesetze in Kraft gesetzt worden. 
2) Vgl. Entschädigungsgesetz zur allg. Gewerbeordnung v. 17/1. 1845 (G. S. S. 79); für die 
im J. 1866 erworbenen Provinzen G. v. 17/3. 1868. Ueber Anträge auf Ablösung von Gewerbe- 
berechtigungen und auf Entschädigung für aufgehobene Gewerbeberechtigungen entscheidet nach § 133 
Z.G. der Bezirksausschuß. 
3) Vgl. Jolly, Art. Abdecker in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 1. — 
Bornhak, Ueber Abdeckereiberechtigungen in der „Selbstverwaltung“, 1875, S. 177 ff. 
4) Die Nealgewerberechte hat die Gewerbeordnung nicht aufgehoben, deren Neubegründung für 
die Zukunft jedoch verboten (§ 10 Abs. 2).
	        
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