Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 122. Gewerbe und Industrie. 511 
Die Verfassung der Innung beruht auf dem Innungsstatute, für dessen Inhalt das 
Gesetz gewisse Normativbestimmungen aufgestellt hat. Jede Innung muß einen Vorstand haben, 
der von den Mitgliedern gewählt wird und die Innung, die nach § 99 R.Gew.O juristische 
Person ist, nach außen vertritt. Den Mitgliedern darf keine Verpflichtung zu Handlungen 
oder Unterlassungen auferlegt werden, welche mit den Aufgaben der Innung in keiner Ver- 
bindung stehen; ebenso dürfen keine anderen Beiträge von ihnen erhoben werden als 
solche, die zur Erfüllung der gesetzlich zulässigen Zwecke der Innung bestimmt sind. Die recht- 
mäßig angelegten Beiträge und die von der Innung rechtmäßig verhängten Ordnungsstrafen 
werden auf Antrag des Innungsvorstandes auf dem für Beitreibung der Gemeindeabgaben 
vorgeschriebenen Wege zwangsweise eingezogen, vorbehaltlich des Rechtsweges über die Ver- 
pflichtung zur Zahlung der Beiträge. Ueber Beschwerden wegen Verhängung von Ordnungs- 
strafen entscheidet die Aufsichtsbehörde endgültig (§& 98#a, 100b). 
Der Wirkungskreis der Innungen umfaßt nothwendig die Erfüllung der ihnen gesetzlich 
obliegenden Aufgaben; dazu gehört namentlich die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen 
Innungsmitgliedern und Lehrlingen aus dem Lehrlingsverhältnisse, soweit nicht besondere Be- 
hörden dafür bestehen. Die Innungen treten in dieser Beziehung an die Stelle der Gemeinde- 
behörde. Außer den ihnen gesetzlich obliegenden Aufgaben können die Innungen ihre Wirk- 
samkeit auf alle den Innungsmitgliedern gemeinsamen gewerblichen Interessen ausdehnen. 
Hervorzuheben ist, daß sie nach Genehmigung des hierauf bezüglichen Nebenstatuts Schieds- 
gerichte errichten können, die an Stelle der sonst zuständigen Behörden Streitigkeiten zwischen 
Innungsmitgliedern und deren Gesellen aus dem Gesellenverhältnisse zu entscheiden haben und 
mindestens aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern bestehen müsseu. Der Vorsitzende 
wird von der Aufsichtsbehörde ernannt, die Beisitzer werden zu einer Hälfte von den Innungs- 
mitgliedern aus ihrer Mitte, zur anderen Hälfte von den Gesellen aus ihrer Mitte gewählt. 
Die Entscheidungen der Schiedsgerichte sind vorläufig vollstreckbar; die Vollstreckung erfolgt 
durch die Polizeibehörde nach den für die gerichtliche Zwangsvollstreckung maßgebenden Vor- 
schriften. Der Wirkungskreis der Innungen erstreckt sich an und für sich nicht auf die außer- 
halb der Innung stehenden Gewerbetreibenden. Die Novellen v. 23/4. 1886 und 67. 1887 
haben jedoch Bestimmungen getroffen, welche diesen Grundsatz durchbrechen: 1. Wenn sich die 
Thätigkeit einer Innung auf dem Gebiete des Lehrlingswesen bewährt hat, so kann die höhere 
Verwaltungsbehörde (der Regierungspräsident): a) die Innung für zuständig erklären, Streitig- 
keiten aus dem Lehrlingsverhältnisse auf Anrufen des einen Theiles auch in den Fällen zu ent- 
scheiden, in welchen der Arbeitgeber, obwohl er nach Gesetz und Statut zum Eintritte in die 
Innung berechtigt ist, gleichwohl derselben nicht angehört; b) bestimmen, daß die von der 
Innung erlassenen Vorschriften über die Regelung des Lehrlingsverhältnisses, sowie über die Aus- 
bildung und Prüfung der Lehrlinge auch für die erwähnten, der Innung nicht angehörigen 
Lehrherren und deren Lehrlinge bindend sind; c) den erwähnten Arbeitgebern die Annahme 
von Lehrlingen von einem bestimmten Zeitpunkte an überhaupt untersagen; die Behörde kann 
einer Innung das eine oder andere Vorrecht oder alle drei beilegen; dieselben sind aber jederzeit 
widerruflich. 2. Für den Bezirk einer Innung kann auf deren Antrag durch die höhere Ver- 
waltungsbehörde bestimmt werden, daß Arbeitgeber, die obwohl sie ein in der Innung vertretenes 
Gewerbe btreiben, derselben nicht angehören und deren Gesellen in gleicher Weise wie die Innungs- 
mitglieder und deren Gesellen beizutragen haben, zu den Kosten des Herbergswesens, des 
Arbeitsnachweises, der Einrichtungen zur gewerblichen und technischen Ausbildung der Ge- 
werbetreibenden und des Schiedsgerichtes. Die Bestimmung ist jederzeit widerruflich. 
Die Auflösung einer Innung tritt entweder durch Aussterben ihrer Mitglieder oder in 
Folge statutenmäßigen Beschlusses der Innungsversammlung oder Kraft Gesetzes ein, wenn über 
das Vermögen einer Innung Konkurs eröffnet ist oder in Folge Beschlusses der höheren Ver-
	        
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