Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

516 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. III. Kapitel. § 123. 
der Nov. v. 1878, ursprünglich § 108) war bestimmt, daß Streitigkeiten der selbstständigen 
Gewerbetreibenden mit ihren Arbeitern in Bezug auf den Antritt, die Fortsetzung oder Auf- 
hebung des Arbeitsverhältnisses, auf die gegenseitigen Leistungen aus demselben, auf die Er- 
theilung und den Inhalt der Arbeitsbücher oder Zeugnisse, soweit für diese Angelegenheiten 
besondere Behörden bestehen, bei diesen Behörden zum Austrage zu bringen sind, außerdem 
aber die Entscheidung durch die Gemeinde zu erfolgen hat, und daß durch Ortsstatut an Stelle 
die hierfür bestimmten Behörden unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Ar- 
beitern zu bildende Schiedsgerichte mit der Entscheidung betraut werden können. Das G.V.G. 
ließ in § 14 die Gewerbegerichte als besondere Gerichte zu, während die Gew.O.Novellen v. 
1881 und 1887 den Innungen Streitsachen ihrer Mitglieder zuwiesen, unter gewissen Vor- 
aussetzungen auch Streitigkeiten zwischen anderen Arbeitgebern. Endlich bestimmten die 88 63, 
65, 72 u. 73 Kranken-Vers.G. v. 15/6. 1883, daß auf Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern 
und Arbeitern über die Berechnung und Anrechnung der Krankenversicherungsbeiträge § 120 a 
R.Gew.O. anwendbar sei. 
Gegenwärtig ist die Angelegenheit geregelt durch das R.G. v. 29/7. 1890, betreffend 
die Gewerbegerichte (R.G. Bl. S. 141). Die Einsetzung der Gewerbegerichte ist in § 1 d. G. 
der statutarischen Bestimmung der Gemeinden oder weiteren Kommunalverbände (Kreise, 
Provinzen) mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde überlassen (vgl. auch § 77). 
Unterbleibt die Errichtung dem Wunsche der betheiligten Kreise entgegen, so kann die Erricht- 
ung durch Anordnung der Landescentralbehörde erfolgen. Die Kosten der Einrichtung und 
Unterhaltung der Gewerbegerichte fallen nach § 8 in jedem Falle, soweit sie nicht durch Ge- 
bühren, Kosten und Strafen Deckung finden, der Gemeinde u. s. w. zur Last. 
Die Zuständigkeit der Gewerbegerichte, durch welche die Zuständigkeit der ordentlichen 
Gerichte ausgeschlossen wird (§ 3), erstreckt sich nach § 3 ohne Rücksicht auf den Werth des 
Streitgegenstandes auf Streitigkeiten: 1. über den Austritt, die Fortsetzung oder die Auflösung 
des Arbeitsverhältnisses, sowie über die Aushändigung oder den Inhalt des Arbeitsbuches oder 
Zeugnisses; 2. über die Leistungen oder Entschädigungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnisse, 
sowie über eine in Beziehung auf dasselbe bedungene Konventionalstrafe; 3. über die Berech- 
nung und Anrechnung der von den Arbeitern zu leistenden Krankenversicherungsbeiträge (§§ 53, 
65, 72, 73 Krankenvers. G. v. 15/6. 1883); 4. über die Ansprüche, welche auf Grund der 
Uebernahme einer gemeinsamen Arbeit von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegeneinander 
erhoben werden!). 
Der Kreis der Personen, welche vor den Gewerbegerichten Recht zu nehmen haben, ist, 
soweit es sich um die Arbeiter handelt, in § 2 dahin bestimmt, daß als Arbeiter im Sinne des 
Gesetzes diejenigen Gesellen, Gehilfen, Fabrikarbeiter und Lehrlinge gelten, auf welche der 
VII. Titel der Gew.O. Anwendung findet, einschließlich der Betriebsbeamten, Werkmeister 
und mit höheren technischen Dienstleistungen betrauten Angestellten, deren Jahresarbeitsver- 
dienst an Lohn oder Gehalt 2000 M. nicht übersteigt. 
Das Gewerbegericht besteht im einzelnen Falle aus dem Vorsitzenden und mindestens 
zwei Beisitzern. Den Vorsitzenden, welcher nicht Arbeiter oder Arbeitgeber sein darf, wählt der 
Magistrat, event. die Vertretung der Gemeinde, er unterliegt staatlicher Bestätigung. Die be- 
theiligten Berufsgenossen wählen die Beisitzer direkt und geheim; ebenso wie der Vorsitzende 
sollen sie das 30. Jahr vollendet, und im vorausgegangenen Jahre keine Armenunterstützung 
empfangen haben. Außerdem ist mindestens zweijährige Wohnung oder Beschäftigung im Be- 
zirke des Gerichtes vorgeschrieben. Vom aktiven und passiven Wahlrecht sind zum Schöffenamt 
unfähige Personen ausgeschlossen; das aktive Wahlrecht ist ferner an ein Alter von 25 Jahren, 
  
1) Vgl. § 4 d. G. wegen der Hausgewerbetreibenden, dann § 76 (Gehilfen und Lehrlinge in 
Apotheken und Handelsgeschäften) und § 7 (Bergarbeiter).
	        
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