§ 134. Staat und Kirche im Allgemeinen. 547
sogen. Externa der staatskirchlichen Verwaltung, sondern auch ein Theil des eigentlichen Kirchen-
regiments, aber die Scheidung der kirchenhoheitlichen und der kirchenregimentlichen Befugnisse
war doch auch in der obersten Instanz in der Hauptsache wenigstens durchgeführt. Viel wich-
tiger war aber, daß nun nach und nach der Ausbau der Kirchenverfassung durch synodale Ein-
richtungen erfolgte, namentlich geschah dies durch das G. v. 3/6. 1876, betreffend die evan-
gelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie, auf welches später
noch genauer einzugehen sein wird.
Als im Jahre 1866 die neuen Provinzen mit der preußischen Monarchie vereinigt
wurden, ging das landesherrliche Kirchenregiment über die in diesen Provinzen vorhandenen
protestantischen Landeskirchen, in denen mit Ausnahme der nassauischen die Union nicht durch-
geführt war, auf den König über; eine Vereinigung dieser Landeskirchen mit der evangelischen
Landeskirche der älteren Provinzen fand jedoch nicht statt. Deshalb blieben ihre Kirchenver-
fassungen zunächst unberührt, doch haben sie in der Folgezeit nicht unwesentliche Aenderungen
erlitten.
Was die katholische Kirche anlangt, so sind zwar einige Vereinbarungen zwischen den
Bischöfen und den Oberpräsidenten, insbesondere über die Zuständigkeitsverhältnisse hinsichtlich
der Verwaltung und Beaufsichtigung des katholischen Kirchen-, Pfarr= und Stiftungsvermögens
erfolgt, im Uebrigen ist jedoch der Versuch mißlungen, auf Grund des Art. 15 V. U. mit den
Bischöfen eine Vereinbarung über die Regelung der kirchenstaatlichen Verhältnisse herbeizu-
führen, da die Bischöfe erklärten, daß durch die einschlägigen Vorschriften der Verfassungs-
urkunde alle bisherigen Beschränkungen der Kirche aufgehoben seien und die letztere sich be-
reits im Vollbesitze ihrer Selbstständigkeit befinde, daher weitere Vereinbarungen über die Aus-
führung der in der Verfassung enthaltenen Grundsätze nicht veranlaßt seien.
Eine wesentliche Aenderung der kirchenstaatlichen Verhältnisse trat ein, als in Folge der
Beschlüsse des vatikanischen Konzils, insbesondere des Unfehlbarkeitsdogmas eine Spannung
zwischen dem Staat und der katholischen Kirche entstand und die preußische Regierung eine
Neuregelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche vornehmen zu müssen glaubte. Um
den Vowurf, daß eine derartige Gesetzgebung verfassungswidrig sei, zu entkräften, wurde zu-
nächst durch die Verf.-Novelle v. 5/3.1873 (G.S. S. 143) dem Art. 15 V. U. eine Bestimmung
hinzugefügt, welche ausdrücklich die Unterwerfung der Kirche unter die Staatsgesetze und die
gesetzlich geordnete Aufsicht des Staates aussprach und dem Art. 18 einen Satz beifügte, der
die gesetzlich geregelten Rechte des Staates hinsichtlich der Vorbildung, Anstellung und Ent-
lassung der Geistlichen, sowie die Grenzen der kirchlichen Disziplinargewalt vorbehielt. Durch
G. v. 18/6. 1875 (G. S. S. 259) wurden übrigens die Art. 15, 16 und 18 V. U. über-
haupt anfgehoben, indem die Regelung des Verhältnisses des Staates zu den Religionsgesell-
schaften lediglich der Spezialgesetzgebung überlassen wurde.
In den Jahren 1873 ff. wurde nun eine Anzahl solcher, im Einzelnen später noch
zu erwähnender Gesetze erlassen, die in erster Linie das Verhältniß des Staates zur katholischen
Kirche betrafen, aber sich nur theilweise auf die katholische Kirche allein, im Uebrigen auf die
christlichen Kirchen überhaupt, theilweise sogar auf alle Religionsgesellschaften beziehen. Seit
dem Jahre 1880 sind jedoch diese Gesetze durch eine Anzahl Novellen in vielen ihrer Vor-
schriften ganz außer Kraft gesetzt, oder doch sehr wesentlich abgeändert worden.
III. Die Reichsgesetzgebung hat die Regelung des kirchlichen und religiösen Lebens,
soweit dieselbe überhaupt in die Sphäre des Staates fällt, grundsätzlich den Einzelstaaten
überlassen. Insbesondere ist es Sache der Landesgesetzgebung zu bestimmen, unter welchen
Bedingungen und Voraussetzungen sich Religionsgesellschaften im Staate bilden können und
welche rechtliche Stellung sie einnehmen 1). Immerhin sind einzelne hieher gehörige Reichs-
1) Vgl. G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl., S. 684.
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