Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

552 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. IV. Kapitel. 8 136. 
dung und Anstellung der Geistlichen (G. S. S. 191) und die dazu gehörige Nov. v. 21/6. 1874 
(G. S. S. 139)1). Verschiedene Revisionsgesetze, namentlich die GG. v. 11/7. 1883, 21/5. 
1886 und 29/4. 1887 (G.S. 1883 S. 109; 1886 S. 147, 1887 S. 127) haben jedoch das 
G. v. 11/5. 1873 sehr erheblich abgeändert. Der wesentliche Inhalt der jetzt geltenden Vor- 
schriften ist folgender: 
Ein geistliches Amt darf in einer der christlichen Kirchen nur einem Deutschen übertragen 
werden, der seine wissenschaftliche Vorbildung nach den gesetzlichen Vorschriften dargethan hat 
und gegen dessen Anstellung kein Einspruch von der Staatsregierung erhoben ist. 
Bezüglich der Vorbildung ist vorgeschrieben, daß zur Bekleidung eines geistlichen Amtes 
die Ablegung der Entlassungsprüfung auf einem deutschen Gymnasium und die Zurücklegung 
eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer deutschen Staatsuniversität erforderlich 
ist. Der Kultusminister kann jedoch von diesen Erfordernissen dispensiren, namentlich vom 
Studium auf einer außerdeutschen Universität einen angemessenen Zeitraum anrechnen. Ebenso 
kann das theologische Studium auch an den zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen 
geeigneten kirchlichen Seminarien, welche bis zum Jahre 1873 bestanden haben und an den 
von den Bischöfen von Osnabrück und Limburg zu errichtenden, bezw. errichteten Seminarien 
zurückgelegt werden. 
Vor der Uebertragung eines geistlichen Amtes, soferne dieselbe eine dauernde ist, sind 
die geistlichen Oberen verpflichtet, den Kandidaten dem Oberpräsidenten unter Bezeichnung des 
Amtes zu benennen. Dasselbe gilt bei Versetzung eines Geistlichen in ein anderes geistliches 
Amt oder bei Verwandelung der widerruflichen Anstellung in eine dauernde. Innerhalb dreißig 
Tagen nach der Anzeige kann der Oberpräsident Einspruch erheben, der nach § 16 G. v. 11/5. 
1873, bezw. Art. 2 8 2 G. v. 26/4. 1887 nur zulässig ist, wenn dem Anzustellenden die gesetz- 
lichen Erfordernisse zur Bekleidung des geistlichen Amtes fehlen, oder wenn der Anzustellende aus 
einem auf (anzuführenden) Thatsachen beruhenden Grunde, welcher dem bürgerlichen oder staats- 
bürgerlichen Gebiete angehört, für die Stelle nicht geeignet ist. Gegen den Einspruch findet 
Beschwerde beim Kultusminister statt. Die Uebertragung eines geistlichen Amtes, welche der 
Vorschrift des § 1 zuwiderläuft, oder welche vor Ablauf der im § 15 für die Erhebung des 
Einspruches gewährten Frist erfolgt, gilt als nicht geschehen (§ 17 G. v. 11/5. 1873). Die 
widerrechtliche Uebertragung oder Anmaßung eines Amtes, worunter aber das Lesen von 
Messen und die Spendung der Sakramente nicht gehört, ist mit Strafe bedroht (§8 22, 23, 
24 G. v. 11/5. 1873, Art. 2 G. v. 21/5. 1874, Art. 5 G. v. 14/7. 1880, Art. 3 G. v. 
11/7. 1883, Art. 15 G. v. 21/5. 1886, Art. 2 § 5 G. v. 29/4. 1887). 
Das staatliche Einspruchsrecht findet in den Fällen keine Anwendung, in welchen die 
Anstellung durch Behörden erfolgt, deren Mitglieder sämmtlich vom Könige ernannt werden. 
Soweit die Mitwirkung des Staates bei Besetzung geistlicher Aemter auf Grund des Patro- 
nates oder besonderer Rechtstitel anderweit geregelt ist, hat es dabei sein Bewenden behalten. 
Ebenso wurden die bestehenden Rechte des Staates bezüglich der Anstellung der Geistlichen 
beim Militär und an öffentlichen Anstalten aufrecht erhalten (§§ 28, 29 G. v. 11/5. 1873)7. 
b) Die Ausübung und die Schranken der kirchlichen Disciplinargewalt waren eingehend 
geregelt, durch das G. v. 12/5. 1873 (G. S. S. 198), welches namentlich gegen die Ent- 
scheidungen kirchlicher Behörden, welche eine Disciplinarstrafe verhängen, die Berufung an 
den königlichen Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten zuließ (§§ 10—23 u. §§ 32—37 
  
1) Durch die Vorschriften diefer Gesetze sind natürlich die einschlägigen Bestimmungen im A L.N. 
II, 11 §§ 9 ff. beseitigt worden. 
2) Ueber die durch die Novelle v. 21/5. 1874 geschaffenen sog. „Staatspfarrer“ vgl. Bornhak, 
a. a. O., III, S. 636.
	        
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