Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

556 Sechstes Buch: Die Landesverwaltung. IV. Kapitel. § 137. 
der Kirchenregierung übergehen. In Art. 22 u. 23 sind jedoch zu Gunsten der staatlichen Be- 
hörden einige Vorbehalte gemacht worden 1). 6. Im Zusammenhange mit der Erweiterung der 
Zuständigkeit der kirchlichen Behörden stand eine Neuordnung der Ausübung des staatlichen 
Aufsichtsrechtes über die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten. In Art. 24 d. G. sind 
die Fälle aufgeführt, in denen die Beschlüsse der kirchlichen Organe zu ihrer Gültigkeit der Ge- 
nehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde bedürfen. Es ist dies der Fall: a) bei Erwerb, 
Veräußerung oder dinglicher Belastung von Grundeigenthum; b) bei Veräußerung von Gegen- 
ständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwerth haben; c) bei Anleihen, 
soweit sie nicht bloß zur vorübergehenden Aushilfe dienen und aus der laufenden Einnahme 
derselben Voranschlagsperiode zurückerstattet werden können; d) bei Einführung und Veränder- 
ung von Gebührentaxen; e) bei Errichtung neuer für den Gottesdienst, die Geistlichen oder 
andere Kirchendiener bestimmter Gebäude; t) bei Anlegung oder veränderter Benutzung von Be- 
gräbnißplätzen; g) bei Ausschreibung, Veranstaltung oder Abhaltung von Sammlungen außer- 
halb der Kirchengebäude; b) bei Verwendung des kirchlichen Vermögens zu anderen als den 
bestimmungsmäßigen Zwecken?). 
Außerdem hat Art. 27 der Staatsbehörde ein weitgehendes allgemeines Aufsichtsrecht 
über die kirchliche Vermögensverwaltung eingeräumt. Die Aufsichtsbehörde ist nämlich befugt, 
von der kirchlichen Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen und zu diesem Behufe die Etats 
und Rechnungen einzufordern, sowie außerordentliche Revisionen vorzunehmen und auf Ab- 
stellung der etwa gefundenen Gesetzwidrigkeiten durch Anwendung der gesetzlichen Zwangs- 
mittel zu dringen. Ferner haben, wenn ein Gemeindekirchenrath oder eine Gemeindevertret- 
ung sich weigert, gesetzliche Leistungen die aus dem kirchlichen Vermögen zu bestreiten sind, 
oder den Pfarreingesessenen obliegen, auf den Etat zu bringen, festzusetzen oder zu genehmigen, 
sowohl das Konsistorium als auch die Staatsbehörde das Recht, die Eintragungen in den Etat 
zu bewirken und die weiter erforderlichen Anordnungen zu treffen. Bestreiten die Gemeinde- 
organe die Gesetzwidrigkeit der beanstandeten Posten oder die Verpflichtung zu der auf Anord- 
nung des Konsistoriums und der Staatsbehörde in den Etat eingetragenen Leistungen, so ent- 
scheidet auf Klage der Gemeindeorgane das Oberverwaltungsgericht. 
Die Behörden, welche die Rechte des Staates gegenüber der evangelischen Landeskirche aus- 
zuüben haben, sind nach der auf Grund des Art. 28 G. v. 3/6. 1876 erlassenen königl. V. v. 9/9. 
1876 (G. S. S. 395) bezw. der V. v. 30/1.1893 (G.S. S. 10) 5) folgende: I. Der Minister der 
geistlichen Angelegenheiten ist zuständig: 1. bei Feststellung des Regulatives für die ver- 
einigten Kreissynoden der Haupt= und Residenzstadt Berlin (G. v. 3/6. 1867 Art. 8); 2. beider Ver- 
äußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwerth haben 
  
1) Zunächst bestimmt nämlich Art. 22, daß in Beziehung auf die Patronatsverhältnisse, sowie 
auf die kirchlichen Angelegenheiten beim Militär (vgl. Milit.-Kirch.-O. v. 12/2. 1832, G. S. S. 32) und 
bei öffentlichen Anstalten in den Zuständigkeiten nichts geändert wird. Sodann sind in Art. 23 ver- 
schiedene Angelegenheiten aufgezählt, die den Staatsbehörden verbleiben: 1. die Anordnung und Voll- 
streckung der zur Aufrechthaltung der äußeren kirchlichen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften; 
2. die Regelung der streitigen Kirchen-, Pfarr= und Küstereibausachen, sowie die Vollstreckung der einst- 
weiligen Entscheidungen in diesen Sachen; 3. die Beitreibung kirchlicher Abgaben; 4. die Leitung der 
Kirchenbuchführung, soweit die Kirchenbücher noch zur Beurkundung des Personenstandes dienen; 5. die 
Ausstellung von Attesten über das Vorhandensein derjenigen Thatsachen, welche den Anspruch auf 
Kostenfreiheit begründen; 6. die Mitwirkung bei der Veränderung bestehender und bei der Bildung 
neuer Pfarrbezirke; 7. die Mitwirkung bei der Besetzung kirchenregimentlicher Aemter und bei der An- 
ordnung einer kommissarischen Verwaltung derselben. Diese Mitwirkung blieb in dem früheren Um- 
fange bestehen. Insbesondere hat die Anstellung der Mitglieder der kirchenregimentlichen Behörden 
vom Könige unter Gegenzeichnung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten zu erfolgen. 
2) In Betreff der Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen verblieb es nach Art. 25 bei 
dem G. v. 23/2. 1870. — Bezüglich der Prozeßführung vgl. Art. 26. 
#3) Vgl. auch das G. v. 8/3. 1893 (G. S. S. 21).
	        
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