52 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. I. Kapitel. 8 17a.
hohenzollern'sche Hausverfassung 1) ist auch durch die neuere Reichs= und Landesgesetzgebung nicht be-
rührt worden. Namentlich haben das Personenstandsgesetz vom 6/2. 1875 hinsichtlich der Erfordernisse
der Eheschließung, der Gerichtsbarkeit in Ehesachen, der Stellvertretung der Verlobten und des Auf-
gebots sowie das R.G. v. 17/2. 1875 über die Großjährigkeit nicht nur für die landesherrlichen
Familien, sondern auch für die fürstliche Familie Hohenzollern die besonderen Bestimmungen der Haus-
gesetze und Observanzen vorbehalten. Das Gleiche ist geschehen in der preußischen Vormundschafts-
ordnung vom 5/7. 1875 § 100 hinsichtlich der Vormundschafts= und Pflegschaftsverhältnisse 2).
3. Besondere Vorrechte in Folge ihrer Niederlassung im preußischen Staats-
gebiete sind auf Grund des A.E. vom 14/8. 1852 folgende den Mitgliedern des fürstlichen Hauses
eingeräumt: a) Persönlicher Gerichtsstand vor dem Geheimen Justizrathe gleich den Mitgliedern des
königl. Hauses; aufrecht erhalten durch die Reichsjustizgesetze und § 18 des preuß. Ausf.G. zum R.G.V.G.
b) Gerichtsstand vor dem Ministerium des königl. Hauses bei Streitigkeiten unter sich. c) Gleich-
stellung mit den Mitgliedern des königl. Hauses in Bezug auf Steuern und Abgabenbefreiungen, sowie
hinsichtlich der Portofreiheit 3).
4. Vermögensverhältnisse. Durch den Staatsvertrag vom 7/13. 1849 wurde für die
Abtretung der Souveränität dem Fürsten von Hohenzollern-Hechingen eine jetzt wegen Erlöschen der
Linie heimgefallene Jahresrente von 10000 Thlr., dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen eine
solche von 25.000 Thlr. aus der Staatskasse zugesichert. Die Rente vererbt im hausverfassungsmäßigen
Erbgange auf den jedesmaligen Chef der Linie.
Die in den hohenzollern'schen Landen belegenen fürstlichen Güter und sonstigen Liegenschaften
sind nicht preußische Domänen geworden, sondern im Vertrage vom 7/12. 1849 als fürstlich hohen-
zollern'sches Stamm= und Familienfideikommiß anerkannt, das mit den daraus fließenden Einkünften,
aber auch mit den darauf ruhenden Lasten, im Eigenthum der Fürsten von Hohenzollern ebenso ver-
blieb, wie ihr gesammtes Allodialvermögen. Zur Verwaltung der Hausguter besteht eine fürstliche
Hofkammer in den hohenzollern'schen Landen, welche ebenso, wie die sonst zur Vermögensverwaltung
bestimmten Behörden in gleicher Weise die Rechte öffentlicher Behörden genießen, wie die Hofkammer
der königl. Familiengüter und deren Unterbehörden.
5. Standschaft. Das Haupt des hohenzollern'schen Fürstenhauses ist Mitglied des Herren-
hauses mit erblicher Berechtigung. Nach der hohenzollern'schen Amts= und Landesordnung v. 2/4. 1873
ist der Fürst von Hohenzollern Mitglied der Amtsversammlungen aller vier Oberamtsbezirke und Mit-
glied des Kommunallandtags. Vgl. §§ 85 u. 87.
Die Mitglieder der fürstlichen Familie Hohenzollern haben nach Vorstehendem im Wesentlichen die
Rechte und Pflichten der Mitglieder des königl. Hauses. Sie bilden jedoch keine bloße Seitenlinie des-
selben, sondern ein selbstständiges fürstliches Haus. Daraus folgt vor Allem, daß sie kein — auch kein even-
tuelles — Thronfolgerecht in Preußen haben. Ferner haben sie keinen Antheil am Vermögen und den
Vermögensrechten des königl. Hauses. Endlich besteht auch für die Mitglieder der fürstlichen Familie eine
besondere Familiengewalt, die des Fürsten von Hohenzollern. Da jedoch das königliche und das fürstliche
Haus zusammen das Gesammthaus Hohenzollern bilden, so steht auch dem König von Preußen eine
wenn auch beschränkte Familiengewalt über die Mitglieder des fürstl. Hauses zu. Im Nachtrage v. 26/3.
1851 zum fürstl. hohenzollern'schen Familien= und Hausgesetze vom 24/1. 1831 (Schulze, Hausgesetze
III. Bd. S. 776) ist nämlich dem König die ausschließliche Bestimmung über den Eintritt des jedesmaligen
Chefs und der übrigen Mitglieder in auswärtige Civil= und Militärdienste und über den Aufenthalt un-
vermählter Prinzessinnen außer Landes übertragen worden. Auch soll die Vermählung des Chefs wie
nach vorheriger Zustimmung des jedesmaligen Chefs die Vermählung eines Prinzen oder einer Prinzessin
des fürstlichen Hauses nur mit Bewilligung des Königs gültig abgeschlossen werden können. Dem Könige
steht endlich auch die Leitung der Vormundschaften über Mitglieder des fürstl. Hauses und des Austrägal-
verfahrens bei Streitigkeiten derselben unter einander zu, die Mitglieder des fürstl. Hauses sind daher
auch in einigen Punkten der Familiengewalt des Königs als Haupt des hohenzollern'schen Gesammt-
hauses untergeben, im Uebrigen derselben aber nicht unterstellt, wie dies im Jahre 1870 gegenüber der
Forderung der französischen Regierung anerkannt wurde, daß der König dem damaligen Erbprinzen
die Annahme der spanischen Königskrone untersagen solle.
1) H. Schulze, Hausgesetze, Bd. 3, S. 691; 723 ff.
2) R.G. v. 6/2. 1875 § 72 schreibt vor, daß auch für die fürstl. Familie Hohenzollern die Er-
nennung der Standesbeamten und die Bestimmung über die Art der Führung und Aufbewahrung der
Standesregister durch Anordnung des Landesherrn erfolgt.
3) Das letztere Vorrecht ist jetzt beseitigt, da nach dem B.G. v. 5/6. 1869 nur noch die regie-
renden Fürsten des Reichs, deren Gemahlinnen und Wittwen, nicht aber die übrigen Mitglieder der
landesherrlichen Familien Portofreiheit genießen.