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wirkt, jedoch unwirksam wird, wenn der Entlassene nicht binnen sechs Monaten vom Tage der
Aushändigung der Entlassungsurkunde an seinen Wohnsitz außerhalb des Bundesgebiets ver-
legt oder die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate erwirbt. Die Entlassung er-
streckt sich, insofern nicht dabei eine Ausnahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die
noch unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder.
Die Entlassung muß jedem Staatsangehörigen ertheilt werden, der nachweist, daß er in
einem anderen Bundesstaate die Staatsangehörigkeit erworben hat. Handelt es sich dagegen
um eine Entlassung bezwecks Auswanderung in einen nichtdeutschen Staat, so darf die Ent-
lassung Wehrpflichtigen und Militärpflichtigen überhaupt nicht, bezw. nur nach Maßgabe des
*15 R.G. v. 1/6. 1870 und § 60 R.Milit. G. v. 2/5. 1874 und Art. 1 § 3 N. 8 R.G. v.
6/5. 1880 bezw. Art. II. § 2 R.G. v. 3/8. 1893 (R.G.Bl. S. 233) ertheilt werden.
Aus anderen als in den soeben erwähnten Gesetzen vorgesehenen Gründen darf in Friedens-
zeiten die Entlassung nicht verweigert werden. Für die Zeit des Kriegs oder einer Kriegs-
gefahr bleibt dem Kaiser der Erlaß besonderer Anordnung vorbehalten (R.G. v. 1/6.
1870 §. 17). Wird einem preußischen Staatsangehörigen in Friedenszeiten die Entlassungs-
urkunde verweigert, so steht ihm nach § 155 Z.G. der Verwaltungsrechtsweg zu. In
Kriegszeiten ist nur die Beschwerde zulässig. 4. Durch Ausspruch der Behörde in
zwei Fällen (der im R.G. v. 4/5. 1874 vorgesehene dritte Fall ist jetzt in Folge Aufhebung
dieses Gesetzes weggefallen): a) Deutsche, welche sich im Auslande aufhalten, können
ihrer Staatsangehörigkeit durch einen Beschluß der Centralbehörde ihres Heimatsstaats ver-
lustig erklärt werden, wenn sie im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch den
Kaiser für das ganze Reichsgebiet anzuordnenden ausdrücklichen Aufforderung zur Rückkehr
binnen der darin bestimmten Frist keine Folge leisten (§J 20 R.G. v. 1/6. 1870). b) Tritt ein
Deutscher ohne Erlaubniß seiner Regierung in fremde Staatsdienste, so kann die Centralbe=
hörde seines Heimathsstaats denselben durch Beschluß seiner Staatsangehörigkeit für verlustig
erklären, wenn er einer ausdrücklichen Aufforderung zum Austritte binnen der darin bestimmten
Frist keine Folge leistet (§§ 22, 23 R.G. v. 1/6. 1870). In beiden Fällen wirkt der Verlust
auch für die Ehefrau nicht für die Kinder. 5. Durch Aufenthalt im Auslande. Deutsche,
welche das Reichsgebiet verlassen und sich 10 Jahre lang ununterbrochen im Auslande auf-
halten, verlieren die Reichs= und Staatsangehörigkeit nach Maßgabe des § 21 R.G. v. 1/6.
1870. Der Verlust wirkt auch für die Ehefrau und die unter väterlicher Gewalt stehender Kinder,
soweit sie sich beim Ehemann bezw. Vater befinden.
III. Der rechtliche Inhalt der Staatsangehörigkeit ist zunächst Unterthänigkeit unter
die Staatsgewalt. Daraus ergiebt sich die Verpflichtung zum Gehorsam gegen die Staatsge-
walt, also die Verbindlichkeit, die Gesetze zu beobachten und die Befehle der staatlichen Organe
zu befolgen; daneben steht die Treuepflicht, d. h. die Verbindlichkeit, Angriffe auf das Staats-
wohl zu unterlassen.
Neben den Pflichten bilden den Inhalt der Staatsangehörigkeit auch diejenigen Rechte,
deren Grundlage allein und ausschließlich die Staatsangehörigkeit ist, so daß sie jedem Staats-
angehörigen als solchen zustehen. Diese Rechte stützen sich jetzt theils auf Art. 3 R.V. theils
auf das Landesrecht. Nach Landesrechtlhat namentlich jeder Angehörigen des preußischen Staates
das Wohnrecht im Staate; er kann nicht ausgewiesen werden, außerdem hat aber Art. 3 R.V.
in Bezug auf das Recht zum festen Wohnsitz, den Gewerbebetrieb u. s. w. die Angehörigen
aller Bundesstaaten sich gleichgestellt und jedem Deutschen gleichmäßig Anspruch auf den Schutz
im Auslande eingeräumt. Was im Besonderen den Inhalt der preußischen Staatsangehörigkeit
anlangt, so ist Titel II der V. U. überschrieben: „Von den Rechten der Preußen“ und in den
Art. 3—42 sind eine Anzahl sog. Grundrechte aufgeführt. Die betreffenden Vorschriften ent-
halten zunächst vielfach lediglich ein in der V. U. aufgestelltes Programm für die Spezialgesetz-
gebung auf verschiedenen Gebieten wie z. B. über die Rechtsgleichheit, den Schutz der