Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 21. Die Rechtsunterschiede unter den Staatsangehörigen. 61 
durch die Gesetzgebung seit dem 1/1. 1848 verletzten Rechte und Vorzüge nicht entgegenstehen, 
welche den mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und -Grafen, deren Besitzungen in 
den Jahren 1815 u. 1850 der preußischen Monarchie einverleibt oder wiedereinverleibt worden, 
auf Grund ihrer früheren staatsrechtlichen Stellung im Reiche und der von ihnen besessenen 
Landeshoheit zustehen und namentlich durch den Art. XIV der deutschen Bundesakte v. 8/6. 
1815 und durch die Art. 23 und 43 der Wiener Kongreßakte v. 9/6. 1815, sowie durch die 
spätere Bundesgesetzgebung zugesichert worden sind, sofern die Betheiligten sie nicht ausdrück- 
lich durch rechtsbeständige Verträge aufgegeben haben. „Diese Wiederherstellung erfolgt durch 
königliche Verordnung.“ Auf Grund dieses Gesetzes erging die V. v. 12/11. 1855 betr. die 
Ausführung der noch erforderlichen Maßregeln zur Herstellung des bundesrechtlich gewähr- 
leisteten Rechtszustandes der vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen (G.S. S. 688). 
Unter gleichen Datum erging eine zweite Verordnung betr. die Wiederherstellung des privilegirten 
Gerichtsstands für die mittelbar gewordenen Reichsfürsten und --Grafen (G. S. S. 686). 
Die erstere Verordnung bestimmte, daß die gedachten Rechte in dem gesetzlich gestatteten 
Umfange wiederhergestellt werden und ordnete an, daß die Wiederherstellung in der Weise er- 
folgen solle, daß ein königlicher Kommissär mit den einzelnen fürstlichen und gräflichen Häusern 
über den Umfang ihrer Rechte verhandele und daß auf Grund dieser Verhandlungen dem Könige 
vom Staatsministerium Vorschläge über die zur Ausführung erforderlichen Maßregeln gemacht 
werden. Darauf hin schloß die Staatsregierung mit fast sämmtlichen mediatisirten Fürsten 
und Grafen förmliche Verträge ab, während das G. v. 15/3. 1869 betr. die Ordnung der 
Rechtsverhältnisse der mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und -Grafen (G. S. S. 490) 
die Mittel zur Erfüllung derjenigen Verbindlichkeiten bereit stellte, welche durch die in Aus- 
führung der V. v. 12/11. 1855 mit vormals unmittelbaren Fürsten und Grafen geschlossenen 
Verträge auf die Staatskasse bisher übernommen waren, und im Uebrigen vorschrieb, daß die 
Ausführung der Bestimmung im § 1 Abs. 1 d. V. v. 12/11. 1855 in Zukunft im Wege be- 
sonderer Gesetze zu erfolgen habe. Dies ist denn auch geschehen. 
Von den i. J. 1866 mit Preußen vereinigten Staaten hatte in Hannover für die da- 
selbst begüterten standesherrlichen Häuser Bentheim und Arenberg-Meppen eine Regelung der 
Verhältnisse stattgefunden durch die VV. v. 18/4. 1823 und 9/5. 1826, in Kurhessen 
waren das Ed. v. 29/5. 1833 über die besonderen Rechte der kurhessischen Standesherren und 
das G. v. 13/11. 1849 ergangen, welches letztere den Standesherren die Gerichtsbarkeit, die 
Polizei und sonstige Verwaltung, die Aufsicht in Kirchen= und Schulsachen nebst allen Nutzungen, 
Zubehörungen und Kosten entzog, in Nassau dagegen war eine Regelung der Rechtsverhält- 
nisse der Standesherren nicht allgemein, sondern nur durch einzelne nicht publicirte Konventionen 
und Recesse erfolgt. Durch die Vereinigung der genannten Staaten und die Verkündigung der 
preußischen Vefassungsurkunde mit ihren Novellen in den Provinzen Hannover und Hessen-Nassau 
ist die Rechtsstellung der Standesherren nicht verändert worden. Selbstverständlich konnte, bezw. 
kann aber eine Neuregelung dieser Rechtsstellung jetzt nur nach Maßgabe des G. v. 15/3.1869 im 
Wege der Gesetzgebung erfolgen. In dieser Weise sind denn auch neu geordnet worden die 
Rechtsverhältnisse des Hauses Arenberg-Meppen, des Hauses Sayn-Wittgenstein-Berleberg 
und des Hauses Bentheim-Tecklenburg durch GW. v. 27/7. 1875, 25/10. 1876 und 25/11. 
1878 (G. S. 1875 S. 327, G. S. 1878 S. 305 u. 311). 
Die Auflösung des deutschen Bundes hat den Rechtszustand der Mediatisirten insofern 
verändert, als denselben außer der Möglichkeit des Rekurses an die Bundesversammlung auch 
die in den Bundesverträgen liegende Garantie ihres Rechtszustandes entzogen wurde, da aber 
im Uebrigen der Rechtszustand der Mediatisirten auf landesgesetzlichen Bestimmungen beruhte, 
die durch die Auflösung des deutschen Bundes nicht berührt wurden, so erfuhr auch dieser 
Rechtszustand hierdurch keine Aenderung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.