Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

64 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. II. Kapitel. 8 21. 
Frieden lebenden Staate zu nehmen, zugesichert. Dieses Sonderrecht ist gegenwärtig auf- 
gegangen in der allen Reichsangehörigen zustehenden Freizügigkeit und Auswanderungsfreiheit, 
welche letztere nur aus Gründen der Wehrpflicht beschränkt ist, die jedoch für die Mediatisirten 
nicht besteht. Die bayerische Deklaration v. 19/3. 1807 hatte den Standesherren auch das 
Recht des beliebigen Eintrittes in fremde, also außerdeutsche Civil= und Militärdienste zuge- 
sichert. Dem gegenüber kommt jedoch das R.G. vom 1/6. 1870 über Erwerb und Verlust 
der Staatsangehörigkeit zur Anwendung, welches an den Eintritt in ausländische Staats- 
dienste ohne Erlaubniß der Regierung unter Umständen den Verlust der Staatsangehörigkeit 
knüpft, ohne eine Ausnahme bezüglich der Standesherren zu machen. (Vgl. §§ 22, 23 R.G. 
v. 1/6. 1870.) 
5. Die Freiheit von der Militärpflicht. Dieselbe war der Vorschrift der 
Bundesakte entsprechend den Mediatisirten in allen deutschen Staaten gewährt worden und 
ist jetzt reichsgesetzlich anerkannt im G. v. 9/11. 1867, betreffend die Verpflichtung zum 
Kriegsdienste. (B.G.Bl. S. 131.) 
6. Der privilegirte Gerichtsstand. Derselbe ist, was die streitige Gerichtsbarkeit 
anlangt, jetzt beseitigt durch die Reichsjustizgesetze. Das E.G. z. G. V.G. §7 hat nur das 
landesgesetzlich den Standesherren gewährte Recht auf Austräge anerkannt. In Preußen 
hatte die Instruktion v. 30/5. 1820 in Strafsachen mit Ausnahme der im königlichen Dienste 
begangenen Verbrechen den Häuptern (nicht den übrigen Mitgliedern) der standesherrlichen 
Familien, sofern sie nicht den Gerichtsstand vor einem Obergerichte vorzogen, einen privi- 
legirten Gerichtsstand von Austrägalgerichten zugesichert, deren Entscheidungen der königlichen 
Bestätigung bedurften, gegen die jedoch ein Rechtsmittel nicht zulässig war. Dies ist auch 
anerkannt durch die späteren Recesse und in den neuen Provinzen. 
Der privilegirte Gerichtsstand in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist 
durch die Reichsjustizgesetze nicht berührt worden 7. 
7. Die Steuerfreiheit. Auf Grund der Zusicherung der B.A. Art. 14, daß die 
Standesherren und ihre Familien in dem Staate, zu dem sie gehörten, die privilegirteste 
Klasse insbesondere in Ansehung der Besteuerung bilden sollten, hatte die preuß. V. v. 21/6. 
1815 die Mediatisirten für ihre Personen und Familien von gewöhnlichen Personalsteuern, 
nicht jedoch von außerordentlichen Kriegssteuern und indirekten Abgaben befreit. Nachdem die 
Klassensteuerbefreiung der Mediatisirten durch G. v. 7/12. 1849 (G. S. S. 436) aufgehoben 
und im G. v. 1/3. 1851 über die klassifizirte Einkommen= und Klassensteuer eine neue Exem- 
tion nicht ausgesprochen war, ordnete eine auf Grund des G. v. 10/6. 1854 erlassene Kab.O. 
v. 16/3. 1857 die Wiederherstellung der Befreiung von Personalsteuern an. In Hannover 
war zwar den Häusern Arenberg und Bentheim Personalsteuerfreiheit zugesichert worden, 
die V. v. 21½¼7. 1848 hob jedoch die Steuerfreiheiten des Hauses Bentheim auf. Ebenso 
gewährte das preuß. G. v. 2/7. 1875 (G. S. S. 327) dem herzogl. Hause Arenberg keiner- 
lei Befreiung von persönlichen Steuern mehr. In Hessen-Nassau sind die bisherigen Be- 
freiungen der Standesherren und ihrer Familien von Personalsteuern durch Einführung des 
G. v. 1/5. 1851 (VV. v. 28/4. und 11/5. 1867), welche keine Steuerbefreiungen der 
Standesherren kannten, hinfällig geworden. 
Nach § 4 des Einkommensteuergesetzes vom 24/6. 1891 (G.S. S. 175) sollen die 
Häupter und Mitglieder der Familien vormals unmittelbarer deutscher Reichsstände, welchen 
  
1) Vgl. § 27 des pr. Ausf.G. v. 24/4. 1878, welcher bestimmt, daß der den Häuptern und 
Mitgliedern der früher reichsständischen Familien eingeräumte Gerichtsstand in Angelegenheiten der 
nicht streitigen Gerichtsbarkeit durch die Bestimmungen des § 26 a. a. O. über die Zuständigkeit der 
Amtsgerichte nicht berührt sind. Zuständig sind die Oberlandesgerichte, in Hechingen und Hannover 
die Landgerichte, Beschwerdeinstanz ist der Justizminister. Vgl. die Motive zu §§ 38—21 d. Entw. d. 
Ausf.G. v. 24/4. 1878.
	        
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