8 21. Die Rechtsunterschiede unter den Staatsangehörigen. 67
ihnen das eine oder andere Recht vor Auflösung des deutschen Reiches zustand und darin
weder zu Gunsten einer Privatperson noch der Kirchengemeinde eine Veränderung eingetreten
ist; b) ferner gebührt ihnen im ganzen Umfange ihrer standesherrlichen Bezirke die Aufsicht
über Kirchen, Schulen, Erziehungsanstalten und milde Stiftungen, insonderheit über gewissen-
hafte Verwaltung der diesen Gegenständen gewidmeten Fonds; c) hinsichtlich der Kirchen-,
Kollegial-= und Sozialrechte bei evangelischen Kirchengemeinden kommen auch in den standes-
herrlichen Bezirken die Grundsätze zur Anwendung, die die Synodalordnung festsetzt.
Im Uebrigen sind die Regierungsrechte durch die neuere Gesetzgebung beseitigt worden;
an ihre Stelle ist die Verpflichtung der Regierung getreten, die Standesherren vor der Er-
nennung gewisser Verwaltungsbeamten ihrer Gebiete zu hören, bezw. das Recht der Standes-
herren sich durch Stellvertreter bei den Kreistagswahlen vertreten zu lassen. In Betracht
kommen hier folgende Bestimmungen:
1. Durch G. v. 18/6. 1876 wurde vom 1/10. 1876 die Kr.O. v. 13/12. 1872 in
den drei Stolberg'schen Grafschaften mit der Maßgabe eingeführt, daß die Ernennung
der Amtsvorsteher und deren Stellvertreter und die Bestellung kommissarischer Amtsvorsteher
in den gedachten Grafschaften nach Anhörung des betr. Besitzers derselben und die Ernennung
des Landraths des Kreises Wernigerode nach Anhörung des Grafen zu Stolberg-Wernigerode
erfolgen soll, jedoch beides unbeschadet des dem Kreistage zustehendes Vorschlagsrechtes. Außer-
dem wurden die drei Stolberger Grafen ermächtigt, das im Kreise Wernigerode, bezw. San-
gershausen zustehende Recht der Theilnahme an der Kreistagswahl im Verbande der größeren
Grundbesitzer gleich den Mitgliedern regierender Häuser durch Stellvertreter auszuüben.
b) Nach der hannöv. Kr.O. v. 6/5. 1884 § 53 ist dem Herzog von Arenberg in den
Kreisen Meppen, Aschendorf und Hämmling, dem Herzoge von Looz-Coeswaaren im Kreise
Lingen, dem Fürsten von Bentheim im Kreise Bentheim, dem Grafen von Stolberg-Wer-
nigerode und dem Grafen von Stolberg-Stolberg im Kreise Ilfeld das Recht zur Theilnahme
an den Kreistagswahlen durch Stellvertreter eingeräumt.
c) Die hess.-nass. Kr. O. v. 7/6. 1885 §. 54 gewährt neben den Mitgliedern des
nassauischen und hessischen Fürstenhauses auch den Mitgliedern der fürstlichen und gräf-
lichen ehemals reichsunmittelbaren Familien die Stellvertretungsbefugniß für die Kreistags-
wahlen und zwar allgemein ohne Beschränkung auf bestimmte Kreise.
d) Die westf. Kr. O. v. 31/7. 1886 § 99 schreibt vor, daß unbeschadet des sonst bei
Ernennung der Amtmänner zu beobachtenden Verfahrens in denjenigen Amtsbezirken des Krei-
ses Wittgenstein, zu welchen standesherrl. Besitzungen der Fürsten Sayn-Wittgenstein-Hohen-
stein und von Sayn-Wittgenstein-Berleburg gehören, die Ernennung der Amtmänner nach
Anhörung der genannten Fürsten zu erfolgen hat. Außerdem steht denselben die persönliche
Stellvertretungsbefugniß bei den Kreistagswahlen zu.
e) Nach der rhein. Kr. O. v. 30/5. 1887 8 99 besteht für die Standesherren und deren
Familienglieder allgemein die persönliche Stellvertretungsbefugniß für die Kreistagswahlen,
wie in Hessen -Nassau. Ferner soll der Landrath des Kreises Neuwied und der des Kreises
Wetzlar unbeschadet des dem Kreistage zustehenden Vorschlagsrechts nach Anhörung des Fürsten
zu Wied, bezw. der Fürsten zu Solms-Braunfels und zu Solms-Hohensolms-Lich ernannt
werden. Ebenso erfolgt in den Landbürgermeistereien der Kreise Neuwied und Wetzlar, zu
denen standesherrliche Besitzungen der drei genannten Fürsten gehören, die Ernennung und
kommissarische Bestellung der Bürgermeister nach Anhörung der Fürsten. In Betreff der Er-
nennung der Vorsteher der aus Besitzungen der gedachten Fürsten gebildeten Kommunalver=
bände hat es bei der Bestimmung der mit ihnen geschlossenen Recesse sein Bewenden behalten.
9. Die Standschaft. Nach Art. 14 Nr. 2 B. A. sollen die Häupter der mediatisirten
Häuser die ersten Standesherren in dem Staate sein, dem sie angehören. Demgemäß war
allen standesherrlich begüterten Personen das Recht der Theilnahme an den Provinzialständen
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