§ 22. Die Rechtsunterschiede unter den Staatsangehörigen. 71
wer von einem adeligen Vater zwar außer der Ehe erzeugt, aber durch nachfolgende Ehe
legitimirt ist 1.
Die Verleihung des Adels steht ausschließlich dem Könige zu (A.L.R. § 9 II, 9, V. U.
Art. 50). Ein Inländer darf den ihm von einem fremden Landesherren verliehenen Adel im
Inlande ohne königliche Genehmigung nicht führen. Die Verleihung kann in einer doppelten
Weise erfolgen, indem entweder einem Nichtadeligen der Adel verliehen oder ein Adeliger von
einer niederen Stufe des Adels in eine höhere erhoben wird. In beiden Fällen erstreckt sich
die Erhebung auch auf die Frau und die Kinder des Geadelten, mögen sie noch in väterlicher
Gewalt sein oder nicht, wenn die letzteren nicht ausdrücklich ausgenommen sind.
Außer der Verleihung kennt das Allgem. Landrecht noch eine Erneuerung des Adels, zu dessen
Nachsuchung jeder berechtigt ist, der oder dessen Vorfahren den Adel verloren haben. Da je-
doch nach den Bestimmungen des A.L. R. II 9 § 97 die Erneuerung des Adelsstandes die be-
sonderen Vorrechte des alten Adels nicht wiederherstellt, so ist die Erneuerung nichts anders
als eine Neuverleihung.
Der Verlust des Adels erfolgt a) durch Heirath einer Adeligen mit einem Nicht-
adeligen, b) durch Verzicht, ohne daß jedoch den Nachkommen des Verzichtenden der Adel ent-
zogen wird.
In Folge des Betriebes bürgerlicher Gewerbe (Ed. v. 9/10. 1807) sowie durch richter-
liche Aberkennung tritt der Verlust des Adels nicht mehr ein.
Die Stufen des niederen Adels sind in Preußen nicht gesetzlich festgestellt. Es steht
daher im Ermessen des Königs, neue bisher nicht übliche Adelsprädikate zu schaffen. Her-
kömmlich und allein verliehen sind aber bisher die fünf Adelsprädikate: Herzog, Fürst, Graf,
Freiherr und Herr von.
III. Vorrechte vor anderen Staatsangehörigen genießt der Adelige nicht. Der Adel
ist nur ein Ehrenvorzug, der auch durch R. Str. G. B. § 360 Nr. 8 geschützt ist. Dagegen ist
durch die verfassungsrechtliche Aufhebung der Adelsvorrechte nicht ausgeschlossen, daß Korpo-
rationen die Mitgliedschaft oder Stiftungen den Genuß gewisser Rechte vom adeligen Stande
abhängig machen; denn die hierdurch entstehenden Rechte sind keine staatsrechtlichen Befugnisse
und keine Vorrechte im Sinne ständischer Rechtsungleichheit. Ebenso besteht noch die aus-
schließliche Berechtigung des Adels zu gewissen Hofämtern, da die Hofämter nicht Staats-
ämter sind und die Inhaber derselben nur in einem privatrechtlichen Dienstverhältniß zum
Könige stehen.
Nicht als aufgehoben sind endlich zu betrachten die provinzialrechtlichen Bestimmungen,
welche die persönlichen Privatrechte der Adeligen abweichend von denen nichtadeliger Personen
bestimmen (z. B. ist nach ostpreußischem Provinzialrechte die Gütergemeinschaft für Adelige
ausgeschlossen), soweit in dieser Verschiedenheit nicht ein Vorrecht gegenüber den übrigen
Staatsangehörigen zu erblicken ist. Ein Vorrecht liegt aber dann vor, wenn der Kreis oder
die Klasse, für welche das Recht gegeben ist, geschlossen sind und andere Personen in den
Kreis weder eintreten, noch auch sich dasselbe Recht verschaffen können, wie der Kreis, für den
es geschaffen ist).
D. Auszeichnungen (Titel, Orden, Ehren, Würden)). Auszeichnungen, die
mit keinen Vorrechten verbunden sind, sind durch den verfassungsmäßigen Grundsatz der
1) Die Vorschriften der §§ 5 u. 6, Tit. 9 Th. II A.L.R. sind durch § 22 G. v. 24/4. 1854
(G. S. S. 193) beseitigt; über die legitimatio per rescriptum principis vgl. Stobbe a. a. O.
S. 330 N. 15.
2) Ob ein solches Vorrecht vorliegt, kann freilich im einzelnen Falle streitig sein. Vgl. z. B.
über die durch die Kab.OO. v. 16/1. 1833, 26/2. und 28/2. 1837 einzelnen ritterschaftlichen Familien
eingeräumte Autonomie in Bezug auf testamentarische Verfügungen. Bornhak a. a. O. S. 295 f. —
Rönne a. a. O. S. 324 N. Za.
3) Bornhak a. a. O. S. 468 ff. — Rönne a. a. O. S. 157. — Schulze a. a. O. S. 166 f.