Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 25. Das Herrenhaus. 75 
werden. Art. 65 V. U. v. 31/1. 1850 schrieb dagegen vor, daß die erste Kammer bestehen 
soll: a) aus den großjährigen Prinzen des königl. Hauses; b) aus den Häuptern der ehemals 
unmittelbaren reichsständischen Häuser in Preußen und aus den Häuptern derjeniger Familien, 
welchen durch königl. Verordnung das nach der Erstgeburt und Linealfolge zu vererbende Recht 
auf Sitz und Stimme in der Kammer beigelegt wird; c) aus solchen Mitgliedern, welche der 
König auf Lebenszeit ernannt; d u. e) aus 90, bezw. 30 Mitgliedern, welche durch die Ur- 
wähler, die die meisten Steuern entrichten, bezw. von den Gemeinderäthen der größeren 
Städte gewählt werden. Dieser Art. 65 und die dazu gehörigen Artikel 66—68 sind aber 
niemals ins Leben getreten und da der zweimal gemachte Versuch, eine Aenderung der 
Art. 65—68 zu erzielen mißlang, erging das G. v. 7/5. 1853 betr. die Bildung der ersten 
Kammer (G.S. S. 181), welches bestimmte: die erste Kammer wird durch königl. Anordnung 
gebildet, die nur durch ein mit Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz abgeändert 
werden kann. Die erste Kammer wird zusammengesetzt aus Mitgliedern, welche der König 
mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft. 
II. Auf Grund dieses Gesetzes ist die V. v. 12/10. 1854 wegen Bildung der Ersten 
Kammer (G.S. S. 541) ergangen, welche gegenwärtig noch in Kraft ist !). Darnach besteht 
das Herrenhaus 1. aus den großjährigen Prinzen des königl. Hauses, welche der König in 
das Herrenhaus beruft; 2. aus Mitgliedern, die mit erblicher Berechtigung, 3. aus Mit- 
gliedern, die auf Lebenszeit vom Könige berufen sind (Art. 1 d. V.). 
Mit erblicher Berechtigung gehören zum Herrenhause: 1. das Haupt des fürstlichen 
Hauses Hohenzollern-Sigmaringen, 2. die nach der deutschen B.A. v. 8/6. 1815 zur Stand- 
schaft berechtigten Häupter der vormaligen deutschen reichsständischen Häuser in Preußen, 
3. die übrigen nach der V. 3/2.1847 für die Herrenkurie der Vereinigten Landtage berufenen 
Grafen, Fürsten und Herren. Nach § 2 V. v. 3/2. 1847 (G. S. S. 34) sind dies die schlesi- 
schen Fürsten und Standesherren und alle mit Virilstimme begabten oder an Kollektivstimmen 
betheiligten Fürsten, Grafen und Herren der acht Provinzial-Landtage. 4. Außerdem die- 
jenigen Personen, welchen das erbliche Recht auf Sitz und Stimme im Herrenhause vom 
König durch besondere Verordnung verliehen wird. Das Recht hierzu wird in der durch die 
Verleihungsurkunde festgesetzten Folgeordnung vererbt (§ 2 d. V.). 
Als Mitglieder auf Lebenszeit beruft der König (Art. 3 d. V.) 1. Personen, die ihm 
in Gemäßheit der §§ 4—6 d. V. präsentirt werden; 2. die Inhaber der vier großen Landes- 
ämter im Königreich Preußen (nämlich des Oberburggrafen-, Obermarschall-, Landhofmeister- 
und Kanzleramts); 3. einzelne Personen, die der König aus besonderem Vertrauen ausersieht. 
Aus diesen werden die „Kron-Syndici“ bestellt, welchen wichtige Rechtsfragen zur Begut- 
achtung vorgelegt und die Prüfung und Erledigung rechtlicher Angelegenheiten des Hauses 
anvertraut werden. 
Das Präsentationsrecht steht nach § 4 bezw. 5 d. V. zu: 1. den nach der V. v. 3/2. 
1847 zur Herrenkurje des Vereinigten Landtags berufenen Stiftern (d. h. den Domstiftern 
zu Brandenburg, Merseburg und Naumburg a S.). Die von den Stiftern zu präsentirenden 
Vertreter werden von den Mitgliedern derselben aus ihrer Mitte erwählt. 2. Dem für jede 
Provinz zu bildenden Verbande der darin mit Rittergütern angesessenen Grafen für je einen 
zu Präsentirenden. 3. Den Verbänden der durch ausgebreiteten Familienbesitz ausgezeichneten 
Geschlechter, die der König mit diesem Rechte begnadigt. 4. Den Verbänden des alten und 
des befestigten Grundbesitzes. 5. Einer jeden Landesuniversität. Die von den Universitäten 
  
1) Die Zweifel an der Gesetzmäßigkeit und Rechtsgültigkeit der V. v. 12/10. 1854 sind unbe- 
gründet. Vgl. darüber Bornhak S. 368 f. Andererseits ist es aber auch nicht richtig, die V. v. 12/10. 
1854 als einen integrirenden Bestandtheil der Verfassung zu betrachten. Sie ist nur ein Ausführungs- 
gesetz zu einem Verfassungsgesetze, ihre Abänderung braucht daher nicht unter den erschwerenden Formen 
des Art. 107 V. U. zu erfolgen.
	        
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