Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 26. Das Haus der Abgeordneten. 81 
V. v. 30/5. 1849 zu prüfen und wenn er einzelne Wahlakte für ungültig erachten sollte, der 
Versammlung der Wahlmänner seine Bedenken zur endgültigen Entscheidung vorzutragen. 
Nach Ausschließung derjenigen Wahlmänner, deren Wahl für ungültig erkannt ist, schreitet 
die Versammlung sofort zu dem eigentlichen Wahlgeschäfte. Außer der soeben gedachten Er- 
örterung und Entscheidung über die etwa gegen einzelne Wahlakte erhobenen Bedenken dürfen 
in der Versammlung keine Diskussionen stattfinden, noch Beschlüsse gefaßt werden. Die 
Wahlen der Abgeordneten erfolgen durch (öffentliche) Stimmgebung zu Protokoll. Der Pro- 
tokollführer und die Beisitzer werden von den Wahlmännern auf den Vorschlag des Wahl- 
kommissarius gewählt und bilden mit diesem den Wahlvorstand. Die Wahlen erfolgen nach 
absoluter Stimmenmehrheit. Wahlstimmen unter Protest oder Vorbehalt abgegeben, sind 
ungültig. Jeder Abgeordnete wird in einer besonderen Wahlhandlung (Wahlgang) gewählt. 
Ergiebt sich bei der ersten Abstimmung keine Stimmenmehrheit, so wird zu einer engeren 
Wahl geschritten. Bei dieser weiteren Abstimmung kann keinem Kandidaten die Stimme ge- 
geben werden, der bei der ersten Abstimmung keine oder nur eine Stimme gehabt hat. Unter 
den übrigen Kandidaten wird dagegen die zweite Abstimmung ebenso vorgenommen, wie die 
erste. Jede Wahlstimme, die auf einen anderen, als die in der Wahl gebliebenen Kandidaten 
fällt, ist ungültig. Ergiebt auch die zweite Abstimmung keine absolute Majorität, so fällt in 
jeder der folgenden Abstimmungen derjenige Kandidat aus der Wahl, der die wenigsten 
Stimmen hatte, bis die absolute Mehrheit sich auf einen Kandidaten vereinigt hat. Eventuell 
entscheidet bei Stimmengleichheit das durch den Wahlkommissär gezogene Loos. Ueber die 
Gültigkeit einzelner Wahlstimmen entscheidet der Wahlvorstand. 
Der gewählte Abgeordnete muß sich über die Annahme oder Ablehnung der auf ihn 
gefallenen Wahl gegen den Wahlkommissarius erklären. Eine Annahme-Erklärung unter 
Protest oder Vorbehalt gilt als Ablehnung der Wahl und hat eine neue Wahl zur Folge. 
Die Kosten der Urwahlen trägt die Gemeinde, die Kosten der Abgeordnetenwahlen der Staat. 
V. Die Legislatur-Periode des Abgeordnetenhauses ist durch Art. 73 V. U. bezw. G. 
v. 27/5. 1888 (G.S. S. 137) auf fünf Jahre festgesetzt. Diese Frist berechnet sich nach der 
richtigen von der Staatsregierung festgehaltenen Ansicht vom Tage des Zusammentretens des 
Abgeordnetenhauses. Nach Ablauf der Legislatur-Periode ist eine Neuwahl des Ab- 
geordnetenhauses vorzunehmen; eine Frist für die Vornahme der Neuwahlen ist gesetzlich nicht 
vorgeschrieben. Da jedoch nach Art. 76 V. U. (in der Fassung des Art. 1 G. v. 18/5. 1857, 
G. S. S. 369) die beiden Häuser des Landtags regelmäßig in der Zeit von Anfang November 
jeden Jahres bis Mitte Januar des folgenden Jahres einzuberufen sind, so müssen die Neu- 
wahlen jedenfalls so rechtzeitig erfolgen, daß diese Frist eingehalten werden kann. 
Der König ist berechtigt, das Abgeordnetenhaus aufzulösen (V. U. Art. 51). Macht 
er von diesem Rechte Gebrauch, so müssen innerhalb eines Zeitraums von sechzig Tagen die 
Wähler und innerhalb eines Zeitraums von neunzig Tagen nach der Auflösung die beiden 
Häuser des Landtages versammelt werden. 
In Folge der Auflösung des Hauses der Abgeordneten verlieren dessen sämmtliche Mit- 
glieder ihre Abgeordneteneigenschaft, so daß die vorzunehmenden Wahlen ebenso allgemeine 
sind, wie im Falle des Ablaufs der Legislatur-Periode. 
Besondere Wahlen finden statt, wenn aus irgend welchen Gründen eine einzelne 
Stelle im Abgeordnetenhause nicht besetzt ist. Die Hauptfälle sind folgende: 1. Nichtannahme 
der Wahl seitens des Gewählten; 2. Nichtwählbarkeit wegen Mangels der persönlichen Er- 
fordernisse zum Landtagsabgeordneten; 3. Verlust der Abgeordneteneigenschaft a) in Folge 
Verzichts auf das „Mandat“", b) in Folge Annahme eines besoldeten Staatsamts oder Be- 
förderung in ein mit höherem Range oder höherem Gehalte verbundenes Amt (Art. 78 Abs.3 
V. U.); c. in Folge Eintritts in das Herrenhaus, da Niemand Mitglied beider Häuser sein 
kann (Art. 78 Abs. 4 V. U.) oder in die Oberrechnungskammer, da der Präsident und die 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen.
	        
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