Der alte Helmschmuck der bayrischen Herzöge waren zwei
silberne Hörner mit Lindenzweigen besteckt. So führten ihn
1271 die Söhne Ottos II., der das Kleinod vielleicht von seinem
leiblichen Vetter, dem Landgrafen Heinrich Raspe von Thüringen,
1247 als letzter des landgräflich thüringischen Geschlechtes auf
der Wartburg gestorben, überkommen haben mochte. Später
wurden auch die Hörner geweckt und der goldene, rotgekrönte
Löwe der Pfalz dazwischen gesetzt. (Fig. 38.)
Das Wappenbuch »von den Ersten« (c. 1380) enthält eine
ähnliche Wappenbildung. (Fig. 39.)
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Fig. 39. »D hroch va beyen«.
(Wappenbuch ‚.von den Ersten‘.)
Fig. 38, Altes Wappen von Bayern.
Die Zahl der Wecken ist, wie die Züricher Rolle zeigt,
in den alten Wappendarstellungen eine sehr beschränkte, die
Rauten bald spitz, bald mehr quadratisch; erst später glaubte
man die Zahl fixieren zu müssen und stützte sich dabei auf
einen Wappenbrief, welchen Herzog Ludwig der Reiche, ddo.
Landshut anı St. Thomastag, 1462, der Stadt Gundelfingen ver-
liehen hatte, worin es unter andern heisst:
»den dritten taile des Wappens Bayrlands, das sind siben
blaw vnd weiss Wegk.«
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Fig. 41. »D greve va Schelklingen«.
Wappenbuch „von den Ersten“.)
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Fig. 40. Schelklingen.
(Züricher W.-R.)
Diese Stelle lässt aber eine zweifache Lesung zu, nämlich
3x7 oder 3Xı14 Wecken und so finden wir denn auch in der
20
Wappenblasonnierung vom Jahre 1804 — 21 Wecken, 1806 -— 42
Wecken angegeben, eine Zählung, die nur Kanzleiheraldiker
interessieren kann.
Das Wappenbild im zweiten Feld des bayrischen Wappens
wird wegen dem Herzogtum Franken geführt. Die Bischöfe
von Würzburg, die einen grossen Teil der ostfränkischen Lande
besessen hatten, führten schon im XV. Jahrhundert den fränki-
schen Schild mit drei Spitzen in ihrem Wappen.
Das Wappen der alten Markgrafschaft Burgau in Schwaben,
die im XIll. Jahrhunderte einer Linie der Grafen Berg-Schelk-
lingen gehörte, zeigte zu jener Zeit noch nicht den Pfahl,
sondern die Schrägbalken allein und zwar war das Feld von
Silber und Rot sechs, auch siebenfach schrägrechts gestreift. Es
war das alte Wappen des gräflichen Hauses. (Fig. 40.)
Gegen Ende des XIV. Jahrhunderts ist aber der goldene
Pfahl schon nachweisbar, siehe Fig. 41, wahrscheinlich das Bei-
zeichen einer Linie des Hauses.
Durch die Heirat des Pfalzgrafen Stephan von Zweibrücken-
Simmern mit Anna, der Tochter und Erbin Friedrichs III. des
letzten Grafen von Veldenz (f 1444), kam die Grafschaft Vel-
denz an das pfalzgräfliche Haus der Wittelsbacher und damit
auch der blaue Löwe in Silber, das Wappen der alten Grafen
von Veldenz, Nachkommen Emichs I. Grafen im Nahegau (1108),
in das pfalz-bayrısche Wappen.
Die Königskrone von Bayern, welche aus derselben Werk-
stätte in Paris hervorging, in der auch die Kroninsignien Napo-
leons I. angefertigt wurden, und deren Entwurf ebenfalls von einem
Pariser Künstler stammt, wird in der Schatzkammer der könig-
lichen Residenz aufbewahrt.
Die Schildhalter, die beiden Löwen, sind von dem pfälzi-
schen Löwen abgeleitet und sollten demgemäss eigentlich
golden tingiert und rot gekrönt sein. Die Naturfarbe, welche die
offizielle Darstellung verlangt, ist zwar nicht unheraldisch, aber
wenig wirkungsvoll und gerade hier im bayrischen Wappen mit
Bezug auf den Löwen der Pfalz auch kaum begründet.
Seit der Proklamierung der Königswürde am I. Januar 1806
ist das vorliegende Wappenbild die zweite Formation des bay-
rischen Staatswappens. Die betreffende Verordnung datiert vom
18. Oktober 1835.
Man wollte die vier Nationalitäten der bayrischen Lande,
die Bayern, Franken, Schwaben und Pfälzer symbolisieren und
benützte dazu die Wappen von Alt-Bayern, von Franken und
das Wappen von Burgau für Schwaben. Burgau ist allerdings
in Schwaben gelegen, kann aber doch den Begriff von Schwaben
schwerlich decken, das jedenfalls besser durch sein eigenes
Wappen, drei schwarze Leoparden in goldenem Felde, zum Aus-
druck gekommen wäre. Veldenz, in der Rheinpfalz gelegen,
scheint als Symbol für diese genommen zu sein, während der
eigentliche Pfälzer Löwe, wie dies bereits im kurfürstlichen
Wappen vom Jahre 1804 der Fall war, für die Oberpfalz zu
gelten hat, sonst wäre ja auch die Rheinpfalz zweimal im Wappen
vertreten.
Wie vom historisch - heraldischen lässt sich auch vom
künstlerisch - heraldischen Standpunkte manches gegen diese
Wappenkomposition einwenden, die eben aus einer Zeit stammt,
in der von einer heraldischen Renaissance noch nicht die
Rede war.