76 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
tretene Auffassung des Ablehnungsrechtes nicht in Frage).
Zudem würden beide zivilrechtlich nach 88 823 ff. BGB.
haften. Eine Aufhebung der zitierten Gesetzesbestimmungen
durch § 4 Belagerungszustandsgesetz steht nicht in Frage,
weil die auf jene Norm getütuen Verordnungen und Ver-
fügungen des Militärbefehlshabers sich innerhalb des
Gesetzes halten müssen (vgl. oben S. 50). Unbedingt wäre
nun ein Vorgehen im Rahmen des § 9b möglich und
erlaubt (worüber später) — nicht aber, daß ganz allgemein
nach Kriegsrecht, wie Arndt, DJZ3. XIX S. 1098,
1099 (übrigens auch gegenüber der Preßfreiheit), ein-
schränkende Maßnahmen der Militärbefehlshaber zulässig
seien. Siehe insoweit Anschütz, Zeitschrift für die ge-
samte Strafrechtswissenschaft 1915 S. 485 ff. Ein
Beschlagnahme= und Öffnungsrecht bLinsichtlich der Post
von und an solche Personen, die entweder Militärpersonen
oder doch in Kriegszeiten den Militärgesetzen unterworfen
sind, behauptet Olshausen, Goltd Arch. 1914 S. 504.
Aber: lege non distinguente, nec nostrum est
distinguere! Entweder es gilt überhaupt, wie ich behaupte,
eine Beschlagnahme, das Offnungsrecht gegenüber jeder-
mann (mit den im Text erwähnten Einschränkungen), oder
es gilt gar keine, da Art. 33 Vl. nicht mehr besteht, und
sowohl das Post- wie das Telegraphengesetz einfache und
keine Verfassungsgesetze sind. Aber auch ohne zu dem
schweren Geschütz der Norm des § 9b greifen zu müssen,
dürfte der Militärbefehlshaber imstande sein, ohne sich
einer Gesetzesverletzung schuldig zu machen, die Anhaltung,
Prüfung und eventuelle Beschlagnahme von Briefen —
besser: von allen postalischen Sendungen einschließlich der
Telegramme, wie die Inhibierung von Telephongesprächen
— zu ermöglichen: Das Belagerungszustandsgesetz ist als
integrierender Bestandteil des Artikels 68 RV., wie oben
S. 28 ausgeführt, Reichs-, und zwar selbst Verfassungs-=
gesetz. Wenn dieses in § 5 ganz allgemein die Suspension
von Art. 6 Pru. und implizite der ihn ergänzenden
und ersetzenden reichs= und landesrechtlichen Bestimmungen
zuläßt, will es auch ganz allgemein den Militär-
befehlshaber von den Schranken, die sonst für Beschlag-
nahme bestehen, befreien. Keineswegs konnte es bei Ab-
fassung der postalischen Gesetze Absicht des Reichsgesetz-