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Am 5. Mai 1827 war Sachsens erster König, Friedrich
August I., der Gerechte, gestorben, nach einer fast neunund-
fünfzigjährigen Regierung. Deren Anfang berührte sich noch
mit dem Zeitalter des siebenjährigen Krieges; ihre zweite
Hälfte fiel in die napoleonische Zeit; dem albertinischen
Sachsen brachte sie für sein allzugewissenhaftes Festhalten an
dem ursprünglich aufgedrungenen Bündnisse mit Napoleon
eine schwere Einbuße an Gebiet und damit eine lang an-
währende Abneigung des früheren Kurstaates gegen den
nördlichen Nachbar, auf den er doch seiner ganzen Lage
han mehr angewiesen war, als auf das habsburgische Erz-
aus.
Auf Friedrich August den Gerechten folgte sein betagter
Bruder Anton, nach dem Ableben zweier älterer Brüder,
obwohl anfangs für den geistlichen Stand bestimmt, der
nächstberechtigte zur Krone, in diesem Augenblicke schon im
72. Lebensjahre stehend. Wohl gab man ihm noch bei
lebenden Tagen, und das mit vollem Rechte, den Beinamen
des Gütigen, und doch stimmte seine Nachfolge nicht so
ganz mit den Wünschen und Erwartungen seines Volkes zu-
sammen.
Seit den Tagen der Befreiungskriege waren im ge-
samten deutschen Volke zwei Gedanken nicht mehr zur Ruhe
gekommen, der nationale und der konstitutionelle. Zwar der
erstere war durch Osterreichs energisch ablehnende Haltung,
das seit Jahrhunderten schon lediglich auf dynastischen, nicht
auf deutschnationalen Interessen seine Herrschaft aufgebaut
hatte, und unter Preußens allzugefälliger Mitwirkung nun-
mehr, wie es schien, endgiltig beseitigt. Der andere aber
war in Württemberg, Baden, Bayern, Hessen-Darmstadt,
den thüringischen Staaten zur Wirklichkeit geworden. Im
Königreich Sachsen aber bestand nach wie vor der aus dem
ausgehenden Mittelalter überlieferte ständische Staat, dessen
Hauptstütze der Adel war, in dessen Städten die Stadträte
sich noch wie zur Zeit des Begründers der albertinischen
Linie selbst ergänzten, also die Vetternschaft bevorzugten,
dessen Bauernstand teils noch erbunterthänig war, teils durch
die Patrimonialgerichtsbarkeit, in einer der Erbunterthänigkeit
ähnlichen Abhängigkeit erhalten wurde. Das auf den stän-