Außland und der Panflawismus 417
Mecerengenfrage wieder wettzumachen. Oic allslawische Bewegung
ging, von der russischen Regierung im geheimen unterstützt, den ein-
mal betretenen Weg. Zusammenkünfte in Petersburg wechselten mit
solchen in Sofia und in Prag. Auf dem allslawischen Sokolkongreß
in Prag im Frühjahr 1912 ließ die russische Regierung sich sogar durch
den Gehilfen des Unterrichtsministers, Sebjakov, offiziell vertreten. So
sicher fühlte sic sich schon ihrer Sache, daß sie offen diese Heerschau über
die Sokoln, die von außen und von innen die österreichische Monarchie
zertrümmern helfen sollten, auf österreichischem Boden und in Gegen-
wart von Vertretern der österreichischen Regierung vornahm. Obwohl
auch damals schon Warnungen genng ertönten, hat doch erst der Welt-
krieg von 1914 die Bedeutung dieser Organisationen in den Plänen
Rußlands und Serbiens gezeigt. Im übrigen besorgten tschechische, all-
polnische und russophile Mitglieder des österreichischen Reichsrats im
Namen der allslawischen Brüderlichkeit die Geschäfte Rußlands. Um
den russischen Balkanzielen näherzukommen, machte noch Izvolskij den
Versuch, einen Balkanbund mit der Türkei an der Spitze zu schaffen, die
damals durch dic schroffe Jaltung der Jungtürken gegen Österreich in
dem Kalkül des russischen Ministers eine Rolle spielte. Dieser Balkan=
bund sollte gegen die Donaumonarchie einen Wall bilden. Um diese
Kombination zu ermöglichen, verlangte Izvolskij, daß Serbien und Bul-
garien der Pfortc ihre Uninteressiertheit an Mazedonien erklären. Da
die bulgarische Regierung eine solche Erklärung weder abgeben konnte
noch wollte, scheiterte dieser Plan. Diese Idee nahm aber nach zwei
Zahren (1911) der russische Botschafter am Goldenen Horn, Sarykov, in
anderer Form wieder auf. Für die ÖOffnung der Mcerengen für russische
Kriegsschiffe und für diese allein übernimmt Rußland den Schutz der
Pforte gegen die begehrlichen russischen Schützlinge äm Balkan, Serbien
und Bulgarien, und verbürgt die Sicherheit der Meerengen vor einem
italienischen Handstreich gegen die Dardanellen. Angeeifert durch den
inneren Zersetzungsprozeß in der Türkei, wic er sich in den albanesischen
Aufständen und dem inneren Zwist im türkischen Offizierskorps kund-
tat, hatte nämlich Italien den Zeitpunkt für gekommen crachtet, um
mitten im Frieden sich Tripolis zu bemächtigen, da dieses von türkischen
Truppen entblößt war. Da die Türken unmöglich diesem räuberischen
Akte ihre Zustimmung geben konnten, erklärte Italien Ende September
1911 der Pforte den Krieg. Diesen Zeitpunkt also hielt Carykov für
den geeigneten, um eine Aenauflage des Vertrages von Hunkiar—Iske-
lessi von 1833 durchzusetzen, was mit der Aufrichtung des russischen
Protektorates über die Pforte gleichbedentend gewesen wäre. Der Wi-
Deutschland und der Weltkrieg 27