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Zu der politischen Gestaltung aber hat wesentlich die geographische
Lage der thüringisch-sächsischen Länder beigetragen. Es ist ganz in der
Ordnung, Thüringen und Sachsen als zwei getrennte Gebiete zu
behandeln, sowohl nach Maßgabe ihres geographischen Charakters, als
nach ihrer Bevölkerung. Beide zusammen bilden sie wohl jetzt das
Herz Deutschlands nach der heutigen Ausdehnung unseres größeren
Vaterlandes und haben demzufolge zu leiden gehabt, so oft sich die
nördlichen und südlichen Mächte unseres Vaterlandes in neuerer Zeit
mit den Waffen in der Hand begegneten. Am Katen gilt das von
dem eigentlichen Sachsenlande; denn nach Norden zu liegt es gänzlich
offen, unmerklich in die norddeutsche Tiefebene übergehend, während
sich vor Thüringen nach der gleichen Himmelsrichtung der Harz,
als ein gewaltiger Schutzwall vorlegt. In früheren Jahrhunderten
lag die Sache anders. Es ist Thüringen der östliche Abschnitt
der mitteldeutschen Gebirgsschwelle, die sich nach Westen hin im
hessischen Berg= und Hügellande und rheinischen Schiefergebirge
fortsetzt und abschließt. Während des früheren Mittelalters stand
es infolgedessen in näherer Berührung mit dem westlichen Deutsch-
land und seinen germanischen Bewohnern, während das Tiefland
zwischen Pleiße und Elbe und die sanft abfallenden Ausläufer
des Erzgebirges für eine selbständige politische Gestaltung zunächst
noch keine Grundlage gaben, den von Osten zuwandernden Slaven
aber keine nennenswerten Hindernisse entgegenstellten. Dagegen bildete
der nach Süden steil abfallende Kamm des Erzgebirges, der sich im
Mittel über der Egersohle um 500 m erhebt, eine gewaltige Mauer
gegen das Slaventum dieser Gegenden. Im Vergleich hierzu hat der
Thüringerwald, oder der Wald schlechthin, wie die Leute in Thüringen
zu sagen pflegen, nie einen solchen trennenden Wall gebildet, da er
viel gleichmäßiger nach beiden Seiten hin abfällt, nach N.-O. und S.W.
Immer haben über ihn hinüber zur Merovinger= und Karolingerzeit
die Thüringer mit den Franken Fühlung gehabt und beide gegenseitig.
ihre Grenzen darüber hinausgeschoben. Zieht ja auch auf dem Kamme
hin eine uralte, völkerverbindende Straße: der Rennsteig, eine wunder-
same Straße, wie sie kein anderes Gebirge aufzuweisen hat. Von
ihr singt Viktor von Scheffel: