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Dietrich der Bedrängte.
Wo blieb während dieser Zeit, in der Ereignisvolles teils sich
vorbereitete, teils schon eintrat, der eigentliche und wirkliche Erbe
Albrechts des Stolzen, sein Bruder Dietrich von Weißenfels? Während
der stauffischen Besetzung seiner Erblande hatte er sich, der Übermacht
weichend, ruhig zu Weißenfels gehalten und sich auch in Urkunden
nur ganz bescheiden als Graf von Weißenfels, nicht als Markgraf von
Meißen unterschrieben. Dann war er im Januar 1197 aufgebrochen,
um gleich allen anderen, die zu Worms und Würzburg das Kreuz
genommen hatten, nach Palästina zur Befreiung des heiligen Grabes
zu ziehen. Ein Irrtum des Lauterberger Chronisten, der besser unter-
richtet gewesen sein sollte, läßt Dietrich seine Kreuzfahrt schon 1196
antreten; infolge dieses Irrtums kann der Chronist von einer neuen
Schandthat des ihm verhaßten Kaisers Heinrich VI. berichten. Der
stellte nämlich dem Erben Albrechts auch im gelobten Lande dermaßen
nach, daß Dietrich sich nach vollendeter Kreuzfahrt nicht getraute,
öffentlich ein Schiff zu besteigen, weil ihn sonst schon vorher das Mord-
messer eines vom Kaiser gedungenen Meuchlers getroffen haben würde.
So versteckten ihn seine Freunde in ein Faß, das aufs Schiff gerollt
und erst dann geöffnet wurde, als man auf hoher See aller Nach-
stellungen sich für ledig erachten konnte.
Solcher Sage mag gedacht sein, einmal, damit nicht unnötig das
Bild eines Kaisers, wie ihn die Deutschen seit Karl dem Großen kaum
gehabt hatten, für die Nachwelt verzerrt wird, und ferner, damit man
das Festhalten an der stauffischen Sache, das Dietrich auszeichnete,
icht infolge solcher thörichten überlieferung, für unerklärlich ansieht;
denn diese sagenhafte Geschichte erweist sich dadurch als unhaltbar, daß
Dietrich 1196 noch Urkunden, wie schon gesagt, als Weißenfelser Graf
ausgestellt hat, und erst auf die Kunde vom Tode Heinrichs VI.
schleunigst seine Rückkehr aus dem Morgenlande antrat.
Es war eine schwere Zeit inneren Zwistes, zu der Dietrich
heimkehrte. Man hat ihn den „Bedrängten“ zubenannt. Seine Be-
fehdung durch den launenhaften und herrschsüchtigen Bruder hat wohl
zu dem Beiworte Afflictus den ersten Anlaß gegeben, das sich in den
Chroniken jener Zeit findet; durch die letzten Lebensschicksale dieses