Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 1. Abteilung. Von den Anfängen bis zum Tode Friedrichs des Strengen (1381). (1)

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wissen, daß niemand sich der Thränen des Mitleids erwehren konnte, 
und auch dem harten Schwager Zähren der Reue über die Backen 
rannen. So kam ein Ausgleich zu stande, indem sich Heinrich Raspe 
zur Auslieferung der Mitgift und zur Zahlung eines jährlichen Ein- 
kommens von 300 Mark Silbers verstand; außerdem versprach er 
natürlich, sich mit der vormundschaftlichen Regierung zu begnügen und 
seinen Neffen als eigentlichen Landesherrn anzusehen. Nach der 
Wartburg aber kehrte Elisabeth wohl nicht wieder zurück, obgleich 
es spätere Uberliejerung behauptet. Sie zog nach Marburg, um 
dort ganz dem Himmel zu leben, begleitet natürlich von ihrem 
Peiniger und Zuchtmeister Konrad von Marburg. Dort erbaute sie 
zu Ehren des heiligen Franziskus von Assisi, der ihr Vorbild ge- 
wesen und in dessen Orden sie auch als Tertianerin eintrat, ein 
Hospital, in dem sie sich selbst der Pflege der Kranken und den 
nichrigsten Diensten unterzog. Es konnte nicht fehlen, daß eine solche 
Lebensweise unter solcher geistlicher Fürsorge, wie die Konrads von 
Marburg, ihre Kräfte zusehends aufrieb. In noch nicht vollendetem 
24. Lebensjahre starb sie, am 19. November 1231, und ward in der 
von ihr gestifteten Kapelle des heiligen Franziskus beigesetzt. An 
ihrem Grabe geschahen die üblichen Wunder, wie ihr Zuchtmeister 
es nicht anders erwartet hatte. Auf seine Anzeige davon übertrug 
Paypst Gregor IX. ihm und zwei andern Geistlichen die zur Kanoni- 
sation, zur Heiligsprechung, nötige Untersuchung der Wunder. Sie 
fiel vollkommen befriedigend aus; aber Konrad von Marburg erlebte 
den Erfolg nicht mehr. Erst 1235 wurde Elisabeth unter die Heiligen 
der Kirche erhoben; ihr Todestag ist ihr Heiligentag. Am 1. Mai 1236 
versammelte sich an ihrem Grabe eine überaus erlauchte Versammlung. 
Kaiser Friedrich II. selbst mit zahlreichen Fürsten, unter denen sich 
auch der liebevolle Schwager Heinrich Raspe befand, erschien in 
der Kapelle des heiligen Franziskus, ließ sich die Gruft öffnen und 
schmückte die Märtyrerin der Askese mit einer goldenen Krone. Ihr 
Schwager Konrad aber, der mittlerweile Deutschordensritter geworden 
war, und seine Ordensherren ließen in den nächsten fünfzig Jahren über 
ihrer Gruft jenen herrlichen Dom erstehen, der uns das erste Beispiel einer 
gotischen Hallenkirche mit drei gleich hohen Schiffen bietet, zugleich aber 
auch glänzende Beweise der reich entwickelten mittelalterlichen Skulptur.
	        
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