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graf mit seinen Beisitzern oder Schöffen ein und nimmt auf seinem
erhöhten Richterstuhle Platz. Da nun heißt er sechs von ihnen zu
seiner Rechten und sechs sich zu seiner Linken setzen. Er selbst aber
hält den weißen Stab der Rechtsprechung in seiner rechten Hand, wie
ein Richter sitzt zur Entscheidung der vor ihm verhandelten Rechts-
sachen.“ Von diesen erwähnten Zwölfen erkor sich der Landgraf sechs
nach eigener Wahl, die andern sechs bestimmte er nach gemeinsamer
Verständigung mit den ersterwählten Richtern. Vor dem Landrichter
saß der Bote des Gerichtes, der schwören mußte, keinen um Mittag
oder des Nachts zu beunruhigen, sondern die Verordnungen vor Auf-
gang oder gleich nach Untergang der Sonne zu vollstrecken. So
schwuren auch die Schöffen dem Landgrafen, recht zu richten, wie es
dieser bei der Belehnung dem Kaiser geschworen hatte, zu richten nach
seinem und nach des Landes Recht. Nach jeder Hauptsitzung wurden die
Gesetze und Privilegien der Landschaft Thüringen vorgelesen, z. B. daß
alle Anfässigen im Lande und fremde christliche Kaufleute mit ihrer Ware
in des Kaisers Schutz und Frieden, nur die Adligen in Waffen und
beritten sein sollten; überwiesene Verräter und Widersacher des Land-
grafen und seines Gerichts sollten mit Pferden zum Gericht geschleppt,
5Zu nebenstehendem Bilde.
Zu oberst ist eine curia feudalis (Lehnsgericht) dargestellt die Vasallen stehen
unbedeckten Hauptes vor ihrem Lehnsherrn; er teilt den Sitz mit einer richterlichen Per-
son, welche, obwohl auch Vasall, doch den Spruch nicht anders als sitzend fällen durfte,
und dem sich auch der Lehnsherr fügen mußte. Die Bedeutung des Kranzes von
gelben und roten Kugeln, den der Lehnsherr in der Hand hält, ist nicht erklärlich;
er erinnert an die Scheibe mit Kugeln, welche Kaiser Otto auf seinem Grabmal
im Magdeburger Dom hält; ebenso unerklärt sind die Zeichen zwischen den Personen.
— Die vier Gruppen, welche durch eine VI als zusammengehörig erkennbar sind,
beziehen sich auf die Heeresfolge, die VI bezeichnet die Frist von 6 Wochen, nach
welcher die Heerfahrt stattfinden soll. Auf dem ersten rechts oben gelobt der knieende
Reichsvasall dem thronenden König mit gesenktem Schwert und erhobenen Fingern die
Herressfolge. Auf dem nächsten muß diesem selben Reichsvasallen, diesmal als
Lehnsberr sitzend mit erhobenem Schwert, sein Vasall unter demselben Zeremoniell
die Heeresfolge geloben. — Abnliches wiederholt sich auf dem unteren Bilde rechts,
während links bereils der Kampf tobt. Der zwischen beiden Gruppen fließende
Strom ist die Saale; die bereits blutrünstig geschlagenen Feinde sind also Wenden,
Böhmen oder Polen, die vor den bluttriefenden Schwertern der Ritter um Gnade
flehen. — Die Bewaffnung entspricht dem Kulturstande der Zeit. Das Obergewand
des Ritters ist gelb.
Sturmhoefel, Veschichte der sächsischen Lande. 30