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der so gut wie allein bis ins späte Mittelalter die Geschichte seiner
Zeit erzählt, hält sich an die allgemeinen Thatsachen, die ihm der
wandernde Ordensbruder oder der Handelsmann zu Ohren trägt, oder
die der Abt mitbringt, der urkundenbeladen von des Königs Hoftag heim-
kommt. Aber der Fuldaer Mönch, der uns Nachlebenden Kunde geben
will aus jenen längst verschollenen Tagen, hat doch ganz persönliche
Kundschaft erhalten über einen, der uns als der erste in einer langen
Reihe gelten darf, in der Reihe der thürinigschen und meißnischen
Grenzgrafen. Dieser der Sorbenmark vorgesetzte Graf hieß Thakulf.
— Man zählte das Jahr des Herrn 849, und in deutschen Landen,
wenn auch nicht in allen, gebot Ludwig der Deutsche, dessen Antlitz
bislang die ihm treuen Gaue Thüringens noch nicht gesehen hatten.
Da drohte von Südosten her ein gefahrvoller Aufstand der Böhmen.
Der Markgraf Ernst von der böhmischen Mark, dem zunächst ihre
Bekämpfung oblag, rief zu ihrer Abwehr auch andere Fürsten herbei
umter ihnen den Sorbenmarkgrafen Thakulf. Schon war es beider-
seitig zu Kämpfen gekommen, als die Böhmen zur Besinnung, d. h.
zur Anerkennung der deutschen Übermacht, gelangten, offenbar nur aus
dem Grunde, weil sie in der Teilnahme Thakulfs den eigentlichen
Grund der feindlichen Ubermacht erkannten. Sie wußten, daß er mit ihrer
Sitte und ihren Rechten wohl vertraut war; sie fühlten, daß er wohl in
der Lage wäre, den Gegnern manche Eigentümlichkeit ihrer Sitte, die
man bei unwohlwollender Beurteilung ganz gern als Kriegsfall auf-
fassen konnte, als nicht so verletzend zu erklären, und so wandten sie
sich nach dem Gefechte des ersten Tages in einer Gesandtschaft an
ihn um Vermittelung. Aber dem Wackeren hatte eben bei diesem
Treffen vom vorhergehenden Tage ein flavischer Pfeil das Knie durch-
bohrt. Den schwer Wunden hielt es nicht ab, die Abordnung der
Böhmen zu empfangen; aber nicht auf dem Schmerzenslager, das seine
Bresthaftigkeit ihnen verraten hätte, sondern in Wehr und Waffen, auf
hohem Roß hörte er ihr Anliegen an und versprach ihnen Vermitte-
lung. Aber ebensowenig, als sie von seiner äußeren Verwundung
Kenntnis hatten, kannten sie die innere Wunde des Reiches, die ihnen
alsbald zum Siege verhelfen sollte. Denn die anderen Fürsten hatten
kaum Kunde von solcher eigenmächtigen Verhandlung Thakulfs ge-
wonnen, als sie — ganz nach germanischer Eigenart — gegen ihn