Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 1. Abteilung. Von den Anfängen bis zum Tode Friedrichs des Strengen (1381). (1)

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fängnis. Er war in der Regel der Form des Turmes entsprechend rund 
und oben überwölbt. In dem Scheitel des Gewölbes war eine Offnung 
ausgespart, groß genug, daß man einen Mann an einem Seile in 
das Verließ hinablassen konnte; ein Krug Wasser und ein Stück Brot 
folgten ihm auf gleichem Wege als Nahrung. Man kann sich diesen 
Aufenthalt nicht schauerlich und ekelhaft genug ausmalen; Licht und Lust 
kamen spärlich durch die Luken herein, allerhand Ungeziefer bildete die 
Gesellschaft des Gefangenen. Wie groß solche Verließe waren, mag 
etwa an dem Beispiele des noch vorhandenen Turmes vom ehemaligen 
längst verschwundenen Großenhainer Markgrafenschloß gezeigt werden, 
der noch in das 13. Jahrhundert zurückreicht und Zerstörungsversuchen 
durch seine gewaltige Festigkeit widerstanden hat. Die Höhe beträgt 
ungefähr 20 Meter, die quadratische Grundfläche, die übrigens auch 
weiter oben keine Verjüngung erlitten hat, ist 9 0# 9 Meter, dagegen 
beträgt die Lichtweite des Turminnern sowohl unten auf der Grund- 
fläche als auch für die oberen Räume nur etwas über drei Meter. 
Darnach kann man die Annehmlichkeit eines solchen Verließes ungefähr 
bemessen. 
Das größte und ansehnlichste Gebäude, das dem in den Burg- 
hof durch das Thor Eintretenden zunächst ins Auge fiel, war der 
sogen. Palas; es ist dasselbe Wort, wie unser späteres in der Bedeutung 
etwas emporgeschraubtes Palast (— lat. palatium). Er war durch eine 
steinerne Freitreppe vom Hofe aus zugänglich. Über diese gelangte man 
in einen großen Saal, der sich durch das ganze Gebäude hinzog und 
seine Beleuchtung durch eine Reihe von gekuppelten mit Teilungssäulchen 
versehenen Fenstern enthielt, wie dies am Palas der Wartburg zu 
ersehen ist. Doch legte man solche gekuppelte Fenster nur an. wo 
die Sicherheit es zuließ, wenn also eine Beschießung des Saales 
durch die Fenster nicht zu befürchten war. Da die Mauern des Palas 
sehr stark waren, so entstanden sehr tiefe Fensternischen, in denen 
steinerne Bänke seitlich angebracht waren. Man belegte sie mit Kissen 
und Polstern, damit sie namentlich den Edelfrauen als Sitzplätze dienen 
möchten. Denn sie besonders nahmen hier gern ihren Aufenthalt, um 
entweder auf der einen Seite nach dem Hofe hinaus den ritter- 
lichen Spielen der männlichen Hausgenossen zuzuschauen, oder nach 
der anderen in die Landschaft hinauszulugen, ob nicht ein Fremder
	        
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