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lich lohnte und eine behaglichere, sinnenfreudige Ausgestaltung des
Lebens ermöglichte. Wie stand das Rittertum dieser neuen Phase
unserer Geschichte gegenüber? Trotz aller ritterlichen Rüstung unge-
rüstet, trotz allen ritterlichen Mutes hilflos. Denn am Handel oder
gar am Handwerke sich zu beteiligen, verbot dem Ritter die Standeschre;
selbst auf dem ihm zunächst liegenden Gebiete der Landwirtschaft machte
ihm die intensivere und rationellere Bebauung, welche die Städte ihren
Ländereien angedeihen ließen, wirksame und fühlbare Konkurrenz. Da-
zu kam der Abgang an Arbeitskräften. Der Hörige oder der Leib-
eigene des ritterlichen Grundbesitzers entfloh der fesselnden Scholle
und fand in der Stadt als neue Arbeitskraft willkommenheißende
Aufnahme; alle Gesetze dagegen, alle Reklamationen fruchteten nichts.
Der Ritter aber lernte den in den Städten mit wachsendem Wohlstande
sich mehrenden Luxus kennen, er wollte dessen auch mit genießen;
so erforderte es auch die Standesehre; der Reichere gab das Vorbild,
dem der weniger Vermögende folgen mußte. So geriet man bald in
finanzielle Abhängigkeit von den Städten. So lange noch die Stauffen
den Heerbann aufboten und nach Italien zogen, oder auch die Kriege
Frankreichs mit England oder die Kämpfe gegen Dänemark und die
Slaoven die ritterlichen Streitkräfte in Anspruch nahmen, konnte man
durch Beute und sonstiges Kriegsglück sich wohl noch ab und zu auf-
helfen. Aber seit Friedrich II. sein Interesse wesentlich auf Italien
beschränkte und namentlich während des Interregnums und in der Zeit
bis Heinrich VII. versumpfte der kleinere Adel politisch wie wirtschaftlich,
was ja eng zusammenhängt. Um sich das Dasein zu fristen, das
übrigens durch den Landesfürsten und seine eben in dieser Zeit empor-
wachsende und selbständig werdende Macht ebensosehr politisch bedroht
war, wie wirtschaftlich durch die Städte, legte er sich auf den Raub.
Er nahm gewissermaßen Rache an jenen Neubildungen, die ihm, ohne
daß er recht eigentlich ahnte warum, den Boden unter den Füßen
streitig machten. Was er so mit Gewalt erraffte, erschien ihm ehren-
voller erworben zu sein, als der Gewinn des weite Unternehmungen
planenden Kaufmanns oder der mit harter Arbeit erworbene Lohn
des nimmermüden städtischen Handwerkers. Es ist merkwürdig, wie
wenig man Empfindung für das wenig Ehrenvolle eines solchen Er-
werbes hatte. In Thüringen entwickelten sich Erfurt, Mühlhausen,