Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 1. Abteilung. Von den Anfängen bis zum Tode Friedrichs des Strengen (1381). (1)

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langen eine Erklärung. Wie hinter den Mauern der Stadt der Unter- 
than der Herren und Ritter vor diesen eine Zufluchtsstätte fand, so 
zog, ebenfalls eine Zuflucht suchend, und zwar eine wirtschaftliche, der 
niedere Adel häufig nach der Stadt und erlangte hier, mitunter auch 
zu bürgerlicher Beschäftigung übergehend, durch seine nur zu oft in 
Anspruch genommene militärische Tüchtigkeit eine angesehene Stellung. 
Ganz von selbst kam er so, als das Ratskollegium sich mit landesgräf- 
licher, markgräflicher oder erzbischöflicher Erlaubnis konstituierte, in 
dieses hinein und darin zu Einfluß und Ansehen. Doch ist zu be- 
merken, daß dies in Thüringen häufiger vorkam, als in Meißen. Im 
Besitze der Macht begann nun allmählich der Rat ein Begünstigungs- 
und Eigensuchtsregiment. Man beschuldigte die Ratmannen in Erfurt, 
daß sie unnütze Auflagen machten, um sich zu bereichern, selbst aber 
sich allen Leistungen für das gemeine Wohl entzögen, sie nähmen 
allein die Kriegsbeute für sich in Anspruch, sie begännen Hader mit 
dem Landgrafen und dem Erzbischof, was dann die Stadt auszutragen 
hätte; sie unterhielten auf gemeiner Stadt Unkosten eine unnötige 
Menge Kriegsvolk und Schreiber; auch wurden manchen von ihnen 
verräterische Verbindungen mit den Feinden der Stadt zum Vorwurfe 
gemacht, anderen wieder junkerlicher Ubermut und rohe Gewaltthat 
gegen kleinere Bürger. Es ist erzählt worden, wie diese Mißhellig- 
keiten zwischen Rat und Bürgerschaft nicht wenig zu dem Erfolge 
Friedrichs des Freidigen gegen die unruhige Stadt beitrugen. Daß 
aber auch die Zünfte manches auf dem Kerbholze hatten, beweist eine 
Nachricht vom Jahre 1264, wonach es die Bäcker und Fleischer zu 
Erfurt so unverantwortlich getrieben hätten, daß der Rat ihre Zünfte 
aufhob und den Fremden ihres Handwerks die Macht gab, auf den 
Wochenmärkten der Stadt feil zu halten; letztere sollten jedoch dem 
erzbischöflichen Schultheißen den Marktpfennig entrichten und, so sie 
etwas peccieret hätten, vor seinem Gerichte stehen. Zwar gab dann 
der Rat den beiden Innungen ihr Recht wieder zurück, verordnete aber, 
daß zwei Vertrauensmänner aus einer jeden unter Eid die Back= und 
Fleischwaren unter ihre Kontrolle zu nehmen hätten. — Aus diesen 
Streitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft ging 1310 eine veränderte 
Stadtverfassung hervor, daß nämlich statt der zwei Ratsmeister künftig- 
hin alljährlich vier gewählt werden sollten; neben ihnen sollten vier
	        
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