Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 1. Abteilung. Von den Anfängen bis zum Tode Friedrichs des Strengen (1381). (1)

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gekehrten Falle hatte der Christ zwei Juden und einen Christen als 
Zeugen vorzuführen. 
Aus dem soeben Mitgeteilten erhellt die Hauptbeschäftigung der 
Juden: Geld= und Pfandleihe. Bis zu den Kreuzzügen waren in 
Deutschland die Kaufleute Juden gewesen, denen von christlicher 
Seite wenig oder gar keine Konkurrenz gemacht wurde. Das änderte 
sich mit den Kreuzzügen. Der Gesichtskreis und Unternehmungs- 
geist vieler Tausende wurde durch die persönliche Berührung mit 
anderen Völkern und mit dem Orient erweitert und ermutigt; die 
Deutschen begannen nun selbst Verbindungen mit fremden Nationen 
anzuknüpfen und einen ausgebreiteten Handel zu treiben. Sie schlossen 
sich zu Genossenschaften, den Gilden, zusammen, die noch vor den 
Zünften auftreten und diesen wohl ein Vorbild gewesen sein mögen; 
da diese Gilden dem mittelalterlichen Wesen entsprechend zugleich 
religiöse Einigungen mit einem christlichen Schutzpatron waren, wie 
die Zünfte auch, so waren Juden natürlich davon ausgeschlossen, wie 
von den Zünften auch. So wurde der Jude vom Welthandel zurück- 
gedrängt; Großhandel konnte er nicht mehr betreiben, auf Messen und 
Märkten durste er nicht mehr feilhalten; ein Handwerk zu treiben, wenn er 
überhaupt dazu Lust gehabt hätte war ihm aus dem eben angegebenen 
Grunde auch untersagt; also blieb ihm nichts als Schacher und Wucher 
übrig. Kleine und große Darlehen gegen Zinsen, mit und ohne Pfän- 
der, der Ein= und Verkauf getragener Sachen war jetzt das Hauptgeschäft 
der Juden. Sie wurden dadurch bei der Knappheit des Geldes den 
Mitmenschen allenthalben ein wirtschaftlich notwendiges Übel. Da 
dem Christen des Mittelalters durch kirchliche Verordnungen verboten 
war, Geld gegen Zinsen auszuleihen, so blieb den wirtschaftlichen Be- 
dürfnissen gegenüber der einzige Ausweg, durch Juden sein Geld nutz- 
tragend an den Mann zu bringen, natürlich dermaßen, daß dieser einen 
Teil des Zinsertrages für sich behielt, und andererseits vom Juden, 
der selbstverständlich auch mit eigenem Kapital wirtschaftete, das 
nötige Kapital zu entleihen; denn der stand nicht unter den Ge- 
boten der christlichen Theologie und Moral und durfte darum 
ungescheut Zinsen nach seinem Belieben nehmen. Wie sehr das 
von den Juden ausgenutzt wurde, ergeben die Verhandlungen des 
theinischen Städtetags zu Mainz im Jahre 1255. Da wurde bestimmt
	        
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