— 513 —
lanten oder Geißler, die in den sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts
zuerst in Deutschland auftraten, nachdem die Bewegung erst in Italien
bemerklich geworden war. Das Charakteristische an dieser Erscheinung war
das bewußte Streben, ohne Zuthun der Kirche durch eigene Buße sich die
Gnade Gottes erwerben zu wollen. Mit entblößtem Oberkörper wallten
Edle und Unedle, Greise, Männer, Jünglinge, selbst Knaben paarweise
in feierlichem Aufzuge durch die Städte und Dörfer und schlugen sich
mit ledernen Geißelriemen, in denen wohl auch noch Nägel stalen,
über die Schulter, so daß das Blut herabfloß. Die Geistlichkeit wurd
dem Treiben bald abhold, da es ja auf Emanzipation von der Kirche
hinarbeitete; überdies nahmen an den Geißlerfahrten bald auch recht
fragwürdige Elemente teil und machten sie zur Landplage, so daß
Bischof Dietrich von Naumburg und Bischof Albert von Meißen die
Flagellanten exkommunizierten und die Wallfahrten verboten. Be-
kanntlich lebte die Bewegung wieder auf, als 1348 und 1349 die
große Pest nach Deutschland kam.
Was den geistlichen Besitz in den thüringischen und meißnischen Landen
betrifft, so reichte nach Thüringen, wie bekannt, vor allem das Erzbistum
Mainz herein; der Besitz von Erfurt konnte dem erzbischöflichen Krumm-
stabe nicht streitig gemacht werden, trotz aller Versuche der Landgrafen, die
Stadt sich zu eigen zu machen, und trotz aller Versuche der Stadt, sich
dem Erzbischof gegenüber eine Art Reichsfreiheit zu konstruieren. Das
zwiespältige Verhältnis zwischen erzbischöflicher und landgräflicher Ober-
hoheit bewahrte zwar die Stadt vor der unbedingten Unterordnung
unter das eine oder andere Regiment, beraubte sie aber zugleich des
Vorzugs einer einheitlichen politischen Entwickelung und machte den
Charakter der Stadt zu einem unruhigen, wenig verläßlichen. Zu
Mainz gehörten fernerhin Besitzungen auf dem Eichsfelde um Heiligen-
stadt, nach Duderstadt hin und im Leinethal um Nordheim, endlich
einige zerstreut in Thüringen liegende Güter. Die Umgegend aber
von Duderstadt selbst gehörte den Abteien von Gandersheim und
Quedlinburg. Im Nordosten des thüringischen Landes breitete sich
an der Saale westlich und östlich von Halle das Erzbistum Magde-
burg aus; die ihm unterstehenden Bistümer von Merseburg und Naum-
burg-Zeitz hatten ihr Gebiet wesentlich an der Saale und Elster liegen,
und zwar Merseburg zwischen der Saale und dem Unterlauf der Elster,
Sturmhoefel. Geschichte der sächsischen Lande.