Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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Gut zugeführt hätten. — Aussig konnte sich nunmehr auch nicht länger 
halten, die Besatzung und Einwohnerschaft mußte über die Klinge 
springen und die Stadt wurde angezündet. Mindestens ebenso groß 
wie der Jammer und die Totenklage, die in fast jede Familie in 
Thüringen, Meißen und in der Lausitz einzog, war der moralische 
Eindruck, den diese furchtbare Niederlage allenthalben verbreitete. Weil 
man nicht wußte, wie und warum die Hussiten siegten, weil man vor 
der unerklärlichen Thatsache stand, daß Ketzer dauernd über rechtgläubige 
Christen die Oberhand behielten, so wirkten solche Erfahrungen wie die 
von Aussig mit der Macht elementarer Ereignisse. Zwar setzte man allent- 
halben in Meißen, in der Lausitz, in Sachsen, in Thüringen die Befesti- 
gungswerke in Stand, aber man glaubte nicht mehr an die alte deutsche 
Sieghaftigkeit und erwartete das Morgen mit stumpfem Bangen; ein 
furchtbarer Zusammenbruch aller Verhältuisse schien bevorzustehen. Und 
thatsächlich hätte niemand den Einbruch der Hussiten in Meißen hin- 
dern können, wo er naturgemäß nun am ersten zu erwarten war. 
Aber zum Glück für die schlecht befestigten Städte und für das wehr- 
lose platte Land wurden die Hussiten nach Barbaren= und Fanatikerart 
eben gerade nach einem solchen ungeheuren Erfolge unter sich uneinig. 
An dem Einbruche in das nördliche Deutschland wollten auch die 
Prager teilnehmen; die Taboriten aber mit ihrem unter Prokops 
Leitung stehenden Kriegsrate hielten sie wegen ihrer Schwachgläubig- 
keit nicht für erwählte Gesäße des göttlichen Grimms und versagten 
ibnen die Teilnahme. Darüber kam es zu thätigkeitslähmendem Hader; 
überdies eröffnete von Süden her Albrecht von Osterreich einen, wenn 
auch blutig zurückgeschlagenen Angriff und schaffte dadurch Meißen 
Luft; endlich aber wurde es bekannt, daß Sigmund Korybut heimlich 
um Frieden unterhandle und sogar mit der Kurie sich in Verbin- 
dung gesetzt habe. Die Prager sahen sich mit Recht dadurch heillos 
kompromittiert und schnitten zwischen sich und ihm das Tischtuch ent- 
zwei, so daß Korybut eilends das Land verlassen mußte; aber das 
Mißtrauen blieb und störte die auswärtigen Unternehmungen. 
Das eine Gute hatte der Schreckenstag von Aussig gehabt: das 
Kurfürstenkollegium und der Reichstag zu Frankfurt, zusammengetreten 
im Frühjahr 1427, beschlossen eine neue Art der Heeresformation: von 
allen waffenfähigen Männern sollte der zwanzigste ausgehoben und
	        
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