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dem neuen Rat; die Gesamtzahl ersieht man aus einer Urkunde von
1469, wo zwölf als dem alten und zwölf als dem neuen Rate an-
gehörig genannt werden. Somit ergiebt sich, daß der alte Rat vor
seinem Abgange alljährlich selbst die Wahl eines neuen Rates für das
kommende Amtsjahr vollzog; dabei konnte recht wohl ein Teil des
alten Rates für gewisse Amter wieder gewählt werden, was früher
häufiger, später weniger oft geschah. Man beschränkte sich also im
wesentlichen auf den Kreis der vorhandenen Ratmannen, die schon
früher das Amt ausgeübt hatten, aber man mußte auch ab und
zu zu Ergänzungen aus der Reihe der ratsfähigen Bürger greifen.
Denn nicht alle Bürger waren fähig, in den Rat einzutreten; es
wurde im 14. und 15. Jahrhundert genau unterschieden zwischen den
cives potiores, den besseren Bürgern, und den niederen. Zu den
Bürgern erster Klasse gehörten die aus der Umgegend in die
Stadt gezogenen Grundbesitzer, die also außerhalb der Stadt noch
liegendes Vermögen und zinspflichtige Bauern besaßen, ferner die
reichen Kaufleute und die Gewandschneider, d. h. die Tuchhändler.
Aus diesem Kreise holte sich das Stadtregiment wohl auch Rats,
indem man die angesehensten Mitglieder zu einer Besprechung berief.
Nach diesem Muster waren die Stadtverwaltungen im übrigen Meißen
eingerichtet. Daß man in Thüringen, namentlich also in Erfurt, mit
diesem Geschlechterregiment brach und, wie in den Städten Süddeutsch-
lands und am Rhein, den Handwerkern und ihren Zünften Anteil
an der Stadtverwaltung gab, davon war früher schon die Rede. Es
erfolgte diese Umwandlung in der Regel unter stürmischen Kämpfen
und revolutionären Zuckungen. In Meißen, speziell in Dresden, ge-
schah diese Anderung ruhiger und zwar seit den Jahren 1469 und
1470. Die Bewegung unter den Zünften war zunächst nicht auf
Anteil am Stadtregiment gerichtet, sondern auf die Erweiterung ihrer
zünftischen Rechte. Es standen unter den dresdner Handwerkern voran
die Tuchmacher oder Wollenweber, die nicht nur für den dresdner
Bedars, sondern auch über das Weichbild der Stadt hinaus arbeiteten.
Sie fühlten sich mit Recht beschwert durch die Einschränkung, daß sie
ihre Tuche nicht im einzelnen verkaufen durften, sondern stückweis an
die Gewandschneider abzugeben hatten, die allein das Recht des Klein-
verkaufs hatten und natürlich die Preise machten. Mehrfach war
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