Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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und befand sich unter dem Krummstabe seiner Bischöfe und im Be- 
sitze der den Handel und Wohlstand mehrenden Peter= und Paulmesse 
recht wohl. Es mag hierbei der bekannten lberlieferung gedacht werden, 
daß die Stadt während der Hussitenkriege von Prokop belagert und 
nur durch den glücklichen Einfall eines Schulmeisters gerettet worden 
sei, der an der Spitze seiner Kinder bei dem grimmen Hussitenührer 
Fürbitte eingelegt und dadurch sein Herz gerührt habe; sie ist ja auch 
in dem allbekannten Volksliede verewigt worden und bildet die Grund- 
lage des alljährlich um Jakobi gefeierten Kirschenfestes. Da aber 
merkwürdigerweise alle älteren und zeitgenössischen Berichte über Thü- 
ringen während der Hussitenkriege auch kein einziges Wort über diesen 
Vorfall verlauten lassen, so ist man der Sache näher nachgegangen, 
und bei dieser Gelegenheit hat sich ergeben, daß die Geschichte über- 
haupt erst seit 1782 in dieser Form auftritt und zum Urheber einen 
zwar sehr phantasievollen, aber alles andere eher als historisch-gewissen- 
hasten Antiquitätensammler und -fabrikanten hat, einen gewissen Johann 
Georg Rauh, der um die genannte Zeit Garnisonkinderlehrer in Naun- 
burg war. Dieser beruft sich auf die Chronik eines alten Mönches 
aus dem vormaligen Kloster zu St. Georg vor Naumburg, Benediktus 
Taube, von dessen Existenz und Werken niem and Kenntnis gehabt hat 
als der erwähnte Rauh, und setzt das in Frage stehende Ereignis auf 
den 28. Juli 1432, unmittelbar nach der Einnahme der Stadt Alten- 
burg und vor die Verwüstung der Stadt Plauen durch die Hussiten. 
Diese beiden Thatsachen fallen aber in den Anfang des Jahres 1430, 
in den Januar, und zwar Altenburgs Eroberung auf den Donnerstag 
nach dem Heiligen drei Königstage, die von Plauen auf den Tag 
Pauli Bekehrung, das ist der 25. Januar, so daß also weder von 
einer längeren Belagerung Naumburgs die Rede sein kann, noch auch 
bei der Jahreszeit von einer Verteilung von Kirschen an die Kinder. 
Gegenüber den Rauheschen Fabelgeschichten ist aber auf eine Nolßz 
in der Chronik des 1696 verstorbenen naumburger Stiftsyndikus 
Eulenburger hingewiesen worden, daß im Jahre 1450, also während 
des unglückseligen Bruderkrieges, Herzog Wilhelm gegen Naumburg 
und dessen ihm verfeindeten Bischof Peter herangezogen sei; aber die 
Naumburger hätten ihm Kinder mit Zweigen und Früchten entgegen- 
geschickt, und diese hätten durch ihr fußfälliges Bitten den Herzog zum
	        
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