Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

— 951 — 
furchtbare Seuche aus dem Orient und war wahrscheinlich aus Indien 
nach den Häfen der Levante verschleppt, wie sie überhaupt, ganz ent- 
sprechend anderen Epidemien, die großen Handelswege wandelte und 
abgelegene Ortschaften, ja ganze Lande, wie Ostfranken, Schlesien, 
Polen, entweder fast verschonte oder erst am Ende dieses heimgesuchten 
Jahrzehntes erreichte. Auch damals war es nach den uns erhaltenen 
Außerungen die asiatische Beulen= und Bubonenpest, die bis auf den 
heutigen Tag noch nicht ausgestorben ist; sie war aber mit einer, 
namentlich anfangs regelmäßig, nachher in seltenerem Maße ver- 
bundenen Lungenaffektion verbunden, die in einer übermäßigen Ab- 
sonderung der Bronchien bei Unmöglichkeit, sie durch Auswerfen zu 
entfernen, bestanden zu haben scheint. 
Nach der mittelalterlichen Anschauung von dem Verhältnis der 
Gottheit zum Menschen kann es nicht auffallen, daß man in dem 
„großen Sterbent“ oder „Sterbot“ eine Strafe Gottes erkannte, gegen 
die sich zu schützen genau besehen eine Auflehnung gegen den göttlichen 
Willen war, wie noch 1430 ein schlesischer Gottesgelehrter sich gegen 
den Vorschlag der Arzte, man solle sich gegen die Ansteckung durch 
Reinigung des Körpers zu wehren suchen, mit der Mahnung wandte, 
man müsse in erster Linie auf die Reinigung der Seele bedacht sein, 
weil die Pest eine Dienerin des göttlichen Zornes sei. Aber es findet 
sich, wenn auch noch etwas später ausgesprochen, eine Ansicht, die uns 
deswegen nicht uninteressant ist, weil sie gerade aus der blühenden 
Stadt Erfurt stammt, und zwar aus dem Munde des ehrwürdigen 
Konrad Stolle, der zu Erfurt 1505 verstarb; seine Auffassung ist nicht 
theologisch, obgleich er Vikar zu Severin war, auch nicht gerade gemüt- 
voll, sondern er sprach gelegentlich einer 1483 ausbrechenden Hungers- 
not mit verbundenem größeren Sterben die Ansicht aus, die sicher 
auch schon früher geteilt worden ist: „es war auch zu der Zeit sehr 
viel Volkes, da innerhalb von zwanzig Jahren nie kein rechtes Sterben 
gewesen war. Es war auch selten ein Ehepaar, das nicht acht oder 
neun oder zehn Kinder gehabt hätte.“ Es ist nun zwar einerseits die 
Richtigkeit dieser Angabe durch mühsame Forschung bestätigt worden, 
anderseits aber auf Grund vieler letztwilliger Verfügungen wenn auch 
nicht der Nachweis geführt, so doch die Wahrscheinlichkeit erhärtet 
worden, daß die überlebenden Kinder an Zahl schließlich auch nicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.