Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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die Volksbildung des ausgehenden Mittelalters hat neben der Kennt- 
nis der lateinischen Sprache und einiger ihrer namhaftesten Vertreter, 
wie des Sallust und Cicero, das speculum universale des Vincenz 
von Beauvais ausgeübt, der Erzieher der Kinder des französischen 
Königs Ludwig des Heiligen war, dem Dominikanerorden angehörte 
und 1264 starb. Auf Veranlassung des königlichen Vaters schrieb er 
für seine Zöglinge jenen „Weltspiegel“, ein encyklopädisches Werk, 
das eine Übersicht von den zu jener Zeit gangbaren Kenntnissen giebt 
und bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts seine Bedeutung 
behalten hat. Doch wurde es mehr dem Unterricht auf den höheren 
Schulen und privater Unterweisung zu Grunde gelegt; die daraus 
geschöpften Kenntnisse gingen aber doch in einer von uns nicht mehr 
nachzuprüfenden Weise vielfach in den Besitz weiterer Kreise über. 
Die Organisation der Stadtschulen schloß sich an das zünftische 
Vorbild an: die Lehrer an ihnen bildeten eine Innung. An der 
Spitze stand der Meister der Schule, auch Rektor genannt; unter ihm 
standen die anderen Lehrer, seine Gesellen, die in Urkunden neben dem 
Schulmeister als Schulgesellen figurieren. Sie samt ihren Schülern 
genossen des Schutzes der Obrigkeit, und für die ihm untergebene 
Schar hatte der Rektor dem Rate das feierliche Gelöbnis abzulegen, 
diesen als seine Obrigkeit anzusehen und bei sonst niemand Recht zu 
suchen. Der Korporationsgeist der gelehrten Innung trieb mitunter 
sonderbare Blasen. So gerieten 1535 die Schulgesellen der Kreuz- 
schule zu Dresden in Konflikt mit den Schneidergesellen, und die 
Feindseligkeiten dauerten drei Wochen; sie waren von solcher Heftig- 
keit, daß an sechs verschiedenen Tagen sechs bis acht Sicherheits- 
wächter zum Schutze der Schule und — des Stadtkellers aufgestellt 
werden mußten. Die an dem Unfuge beteiligt gewesenen Handwerks- 
gesellen wurden dann auf zwei Jahre aus der Stadt gewiesen. — 
Den Rektor oder Schulmeister wählte der Rat auf eine bestimmte 
Zeit, gemeinhin auf ein Jahr, und er suchte sich dann seine Gehilfen 
nach seinem Gutdünken, befoldete sie auch gewöhnlich aus seiner Tasche. 
Er selbst war auf das Schulgeld und etwaige kirchliche Verrichtungen 
angewiesen, erhielt wohl auch vom Rate eine kleine Besoldung. Eine 
lohnende Beschäftigung und spätere Beförderung eröffnete sich den- 
jenigen Schulmeistern, die Kenntnisse und Gewandtheit genug besaßen,
	        
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