Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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vorlag, daß der arme Schütze, der ausgehungert und mit wunden Füßen 
hinter ihm herschlich, Verbindung mit dem Elternhause erlangen könne. 
Währenddem nährte er sich von dem mitbekommenen Gelde und von 
dem, was der Schütz Johannes zusammenbettelte. Als das Geld zu 
Ende war, mußte der Knabe nicht nur betteln, sondern auch stehlen. 
Wenn die beiden an einen Ort kamen, so wurde der lleine Kerl hinein- 
geschickt und mußte sich durch grundlose Straßen, in deren Kot er oft 
bis über die Knie versank, und durch Scharen bissiger Hunde, die ihn 
in Todesangst, oft auch wohl in wirkliche Todesgefahr brachten, durch- 
schlagen und von Haus zu Haus Gaben heischen. Am Ausgange 
erwartete ihn dann sein Herr, der auf bequemerem und trockenerem 
Wege um den Ort herumgegangen war. Hatte nun Johannes nichts 
Ordentliches mitgebracht, so setzte es Schläge; im andern Falle aß der 
Bean die guten Brocken und ließ seinem Schützling den Abfall. Da- 
bei hatte er ihn aber immer in dem Verdacht, daß er von den ge- 
schenkten Lebensmitteln schon etwas verzehrt hätte, und pflegte dann 
das probate Bacchantenmittel anzuwenden, das uns auch auf den 
Fahrten des Thomas Platter wieder begegnet: er ließ ihn sich den 
Mund mit Wasser ausspülen und dann das Wasser ausspeien, um 
daran zu sehen, ob er etwa einen fetten Brocken schon im voraus für 
sich stiebitzt hätte. In Karlsbad gelang es dann endlich dem armen 
Jungen mit Hilfe einer gutherzigen Familie, seinem Peiniger zu ent- 
kommen. Nach mancherlei Schicksalen erst kam er dazu, seine Studien 
wieder aufzunehmen, oder vielmehr überhaupt ganz von neuem zu be- 
ginnen. Denn das, was er in Miltenberg gelernt, hatte er rein wieder 
vergessen und Neues auf seiner Wanderung nicht dazu gelernt; von 
seinem Bacchanten, versichert er, habe er nie ein lateinisches Wort 
vernommen. — In seinen Erlebnissen lag aber mit nichten irgend 
etwas Außergewöhnliches. Mitunter fast mit denselben Worten erzählt 
Thomas Platter seine Schicksale, und so erging es Hunderten und 
Tausenden von diesen armen Schlingeln, die Wissens= und Wandertrieb 
in die unbekannte Fremde führte. Thomas Platter kam auf seiner 
Wanderung auch nach Meißen. Sein Bacchant hatte ihm weiß 
gemacht, im Meißnischen sei es erlaubt, Enten und Gänse zu schießen, 
ohne daß die Bauern etwas dawider hätten. Deshalb konnte es der 
zehnjährige Thomas (geb. 1499) kaum erwarten. bis sie endlich in
	        
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