Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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war einer von den vier gekrönten Tönen des meisterlichen Hortes. 
Er lebte jedoch nicht in Meißen, sondern zumeist in Böhmen am Hose 
Kaiser Karls IV., dem er zum Dank für erwiesene Wohlthaten sein 
Lehrgedicht „Das Buch der Maide" widmete. Auch mit Herzog 
Rudolf IV. von Österreich, dem Gründer der wiener Universität, war 
er befreundet; er eignete ihm ein historisches Werk zu, eine ungarische 
Chronik. Auch machte er sich, einer der ersten solcher Versuche, 
1369 daran, den römischen Historiker Valerius Maximus zu übersetzen. 
Außer kleinen spruchartigen Gedichten, in denen er dem früher genannten 
Heinrich Frauenlob von Meißen sich anschließt, hat er in Nachahmung 
von Konrads von Würzburg goldener Schmiede einen Lobgesang auf 
die heilige Jungfrau gedichtet. — 
Gegenüber der gelehrten Bildung, die bei allen den vorgenannten 
vorauszusetzen ist, trat die des Volkes zweifellos in den Hintergrund; 
denn auch die mitgeteilten Proben sogenannter Volkspoesie sind doch 
nur von Leuten mit bestimmter Vorbildung verfaßt worden und nachher 
erst Gemeingut geworden. Nur in einem Punkte existierte eine 
allgemeinere Kenntnis und zwar in größerem Umfange, als man sie 
vor Luthers Zeit für gewöhnlich vorauszusetzen gewohnt ist: eine sehr 
umfängliche und sichere Kenntnis der Bibel, natürlich nach Übersetzungen, 
die sich nicht an den Urtext, sondern an die in der Kirche ibliche 
Vulgata, eine lateinische Übertragung, anschlossen. So fehlerhaft und, 
was die deutsche Wiedergabe anlangt, so unverständlich sie auch mit- 
unter sein mochte, sie erfüllte doch ihren Zweck, indem sie dem theo- 
logisch grübelnden Volke viel Material zum Nachdenken und auch zu 
mitunter recht wenig willkommenen Disputationen mit den „Pfaffen“ 
gab. Und trotz alledem blieb dasselbe Volk noch in demselben Glauben 
befangen, den es ab und zu mit seiner Schriftkenntnis im einzelnen 
anzufechten sich erkühnte. Ja im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts 
nimmt das Wallfahrtswesen wieder eine geradezu an Wahnsinn 
grenzende Ausartung an. Konrad Stolle, der vorerwähnte thüringische 
Chronist, berichtet zum Jahre 1475, wie da im Sommer in Thüringen 
und Meißen, aber auch in Franken und Hessen und anderwärts Kinder 
und junge Leute von 8 bis 20 Jahren sich plötzlich ohne Vorwissen 
der Eltern oder ihrer Dienstherrschaften zusammenthaten, oft zwei= bis 
dreihundert stark, und mit Fahnen singend dahinzogen. „Und sprachen
	        
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