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nahm er seine Zuflucht in die St. Veitskirche und schlug acht
Wochen lang sein Lager auf der Orgel auf. Als nun die mainzer Ab-
gesandten nach Erfurt kamen, ließ er sich bestimmen, sein Asyl zu
verlassen. Aber diese Vertrauensseligkeit bezahlte er mit dem Leben.
Denn im Zusammenhang mit der Untersuchung, die von den Mainzern
angestellt wurde, setzte man ihn gefangen, und nachdem er über ein
halbes Jahr im Gefängnis gesessen und mehrfach aufs grausamste
gefoltert worden war, wurde unter dem schallenden Beifallsgelächter
der Menge das Todesurteil über ihn gesprochen und am 28. Juni 1510
von einem Unkundigen, da der Henker nicht aufzutreiben war, in ent-
setzlicher Weise an ihm vollstreckt. Unter dem Einflusse der mainzer
Abordnung wurde nun der alte Rat seines Amtes entsetzt, von dem
so wie so schon die Mehrzahl nicht mehr in der Stadt weilte; in den
Chroniken werden 39 Patrizier namhaft gemacht, die noch vor Ablauf
des Jahres 1509 die Stadt verlassen haben. Dem neuen Rate aber
legten die mainzer Räte eine Eidesformel vor, die von der alten bisher
üblichen wesentlich abwich. An Stelle des bisherigen „daß wir unserm
Herrn, dem Bischof zu Mainz“ u. s. w. stand nunmehr: „daß wir
unserm gnädigen Herrn, dem Erzbischof zu Mainz, unserm rechten
Erbherrn u. s. w. getreu sein sollen.“ Diese Anderung stellte natürlich
die Rechte der thüringisch-meißnischen Landesherren zurück und erregte
deren Einspruch, wie auch der Kaiser mehrfach in das wüste Getriebe
einzugreifen versuchte. Die sächsischen Fürsten bewiesen ihre Feind-
seligkeit dadurch, daß sie den vertriebenen Ratsherren ein Asyl boten;
aber sie bedrängten die Stadt auch mit bewaffneter Hand. Sächsische
Scharen drangen wiederholt bis vor die Thore der Stadt, so daß kein
Bürger die Stadt verlassen konnte, ohne Gefahr zu laufen, gefangen
genommen zu werden, wenn nicht von den Sächsischen, so doch von den
mit diesen die gleichen Ziele verfolgenden raublustigen Junkern, den Sel-
witzen, Wagenern, Bottelern u. a. die ihre Gelüste hinter der Angabe ver-
steckten, sie hätten Ansprüche an die Stadt und könnten sie bei der augen-
ölicklichen Lage nicht befriedigt erhalten. Herzog Georg beteiligte sich auch
an der Bekämpfung der Stadt und nahm ihr das Amt Vargula weg-
Es kamen noch andere, innere Wirren dazu, die es der Bürgerschast,
wenigstens dem vernünftig gesonnenen Teile, nahe legten, wie doch
Friede ernährt und Unfriede zerstört. Der Stolz der Stadt, die