Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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und durch ein schweres Gewitter, das ihn auf dem Heimweg einst 
überraschte, in seinem innersten Gemüt erschüttert, in das Augustiner= 
lloster zu Erfurt ein. Er selbst hat gesagt, daß die schwere und 
ernste Gemütsart namentlich seiner Mutter ihn in ein Kloster getrieben 
habe. Wir wollen dabei in Betracht ziehen, daß dies in einer Zeit 
geschah, in der die Klöster schon vielfach eine Zielscheibe des popu- 
lären Hohnes waren, wennschon noch, wie früher betont wurde, 
eine große Anzahl von solchen Anstalten den alten Ruf zu wahren 
wußte, und namentlich die Augustinerklöster ein gutes Beispiel gaben. 
Gerade in den gelehrten Kreisen Erfurts aber, wo der damals noch 
nicht zwanzigjährige Luther zu studieren begann, war man auf die 
Klöster und auf andere kirchliche Einrichtungen besonders wenig gut 
zu sprechen; man näherte sich jener Auffassung des Christentums, die 
man in Stalien bevorzugte, als sei das Christentum lediglich eine 
Religion der Ungebildeten und Unwissenden, während die Gebildeten 
und Wissenden — und zu ihnen gehörten auch die Päpste dieses 
Zeitalters — nur zu künden wußten von der „nützlichen Fabel von 
Christus“. Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß gerade in 
Erfurt in der Zeit, als Luther dort studierte, der Humanismus festere 
Wurzel faßte. Von dem wie ein Sauerteig wirkenden Einflusse dieser 
Geistesrichtung ist früher die Rede gewesen, und es konnte dabei wohl 
ein Gefühl der Verwunderung aufsteigen darüber, daß selbst auf 
weitere Kreise, die gelehrten Studien ferner standen, diese Richtung 
einen so weitgreifenden Eindruck machen konnte. Es war eben nicht 
bloß das Neue an der Sache, das doch eben nur die Wissenden 
fesseln konnte, sondern ein in weiteste Kreise sich verbreitendes instink- 
tives Gefühl, als ob mit der Kenntnisnahme der antiken Kulturwelt 
auch die Möglichkeit einer freieren, von scholastischen und birchlichen 
Einflüssen geschiedenen Weltanschauung sich ergeben möchte. 
In Erfurt fanden die neuen Wissenschaften zwar nicht ungeteilt 
freudige Aufnahme, und doch waren schon verhältnismäßig frühzeitig Ver- 
treter dieser Richtung in der Musenstadt an der Gera vorhanden. Petrus 
Luder, dem Humanistenkreise Italiens angehörig, wenigstens in seiner 
Vorbildung, erscheint bereits 1460 in Erfurt, Jakob Publicius Rufus, 
durchweg italienischer Humanist, macht sich wenige Jahre später ebenda 
bemerklich. Weniger der wanderlustige Deutsche als der genannte Ita-
	        
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