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und durch ein schweres Gewitter, das ihn auf dem Heimweg einst
überraschte, in seinem innersten Gemüt erschüttert, in das Augustiner=
lloster zu Erfurt ein. Er selbst hat gesagt, daß die schwere und
ernste Gemütsart namentlich seiner Mutter ihn in ein Kloster getrieben
habe. Wir wollen dabei in Betracht ziehen, daß dies in einer Zeit
geschah, in der die Klöster schon vielfach eine Zielscheibe des popu-
lären Hohnes waren, wennschon noch, wie früher betont wurde,
eine große Anzahl von solchen Anstalten den alten Ruf zu wahren
wußte, und namentlich die Augustinerklöster ein gutes Beispiel gaben.
Gerade in den gelehrten Kreisen Erfurts aber, wo der damals noch
nicht zwanzigjährige Luther zu studieren begann, war man auf die
Klöster und auf andere kirchliche Einrichtungen besonders wenig gut
zu sprechen; man näherte sich jener Auffassung des Christentums, die
man in Stalien bevorzugte, als sei das Christentum lediglich eine
Religion der Ungebildeten und Unwissenden, während die Gebildeten
und Wissenden — und zu ihnen gehörten auch die Päpste dieses
Zeitalters — nur zu künden wußten von der „nützlichen Fabel von
Christus“. Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß gerade in
Erfurt in der Zeit, als Luther dort studierte, der Humanismus festere
Wurzel faßte. Von dem wie ein Sauerteig wirkenden Einflusse dieser
Geistesrichtung ist früher die Rede gewesen, und es konnte dabei wohl
ein Gefühl der Verwunderung aufsteigen darüber, daß selbst auf
weitere Kreise, die gelehrten Studien ferner standen, diese Richtung
einen so weitgreifenden Eindruck machen konnte. Es war eben nicht
bloß das Neue an der Sache, das doch eben nur die Wissenden
fesseln konnte, sondern ein in weiteste Kreise sich verbreitendes instink-
tives Gefühl, als ob mit der Kenntnisnahme der antiken Kulturwelt
auch die Möglichkeit einer freieren, von scholastischen und birchlichen
Einflüssen geschiedenen Weltanschauung sich ergeben möchte.
In Erfurt fanden die neuen Wissenschaften zwar nicht ungeteilt
freudige Aufnahme, und doch waren schon verhältnismäßig frühzeitig Ver-
treter dieser Richtung in der Musenstadt an der Gera vorhanden. Petrus
Luder, dem Humanistenkreise Italiens angehörig, wenigstens in seiner
Vorbildung, erscheint bereits 1460 in Erfurt, Jakob Publicius Rufus,
durchweg italienischer Humanist, macht sich wenige Jahre später ebenda
bemerklich. Weniger der wanderlustige Deutsche als der genannte Ita-