Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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der aber schon 1509 Tetzels Ablaßkram in Annaberg kennen gelernt 
und 1510 aus ähnlichen Gewissensbedenken wie Luther in ein Franzis- 
kanerkloster getreten war, sagt von jenen lutherischen Streitsätzen, sie 
hätten in vier Wochen schier die ganze Christenheit durchlaufen, als 
wären die Engel selbst Botenläufer. Luther selbst erschrak über diesen 
Erfolg; er versicherte brieflich dem Bischof Scultetus von Branden- 
burg, er wolle gar nicht determinieren, sondern nur disputieren. Aber 
zu einer Disputation stellte sich niemand, dagegen wurde der Kampf 
litterarisch gegen ihn aufgenommen. Zunächst wandte sich Tetzel gegen 
Luther, indem er 106 allerdings mehr von dem frankfurter Gelehrten 
Johann Wimpina (Koch) verfaßte Antithesen drucken ließ. Sie hatten 
keinen besonderen Erfolg; in Wittenberg verbrannten die Studenten 
sie öffentlich. Sicher wirlte hier auch der seit der Gründung der beiden 
Universitäten bestehende Gegensatz zwischen Wittenberg und Frankfurt. 
Von größerer Bedeutung war ein von Rom selbst ausgehender Angriff, 
wohin Erzbischof Albrecht von Mainz alsbald über den vermessenen 
Mönch und seine Thesen berichtet, dabei auch sich sehr über die Störung 
seines „heiligen Negotiums“ beklagt hatte. Der Meister des heiligen 
päpstlichen Palastes, ein Dominikaner, Silvester Mazzolini da Pirerio, 
schrieb eine überaus heftige Erwiderung, in der er den neuen Gegner 
der Kirche einen Aussätzigen und einen Hundesohn nannte. In 
dessen Hände und in die des Bischofs von Ascoli wurde auch die 
Führung des von der Kurie gegen Luther sofort anhängig gemachten 
Ketzerprozesses gelegt. Schon am 7. August 1518 erhielt der witten- 
berger Mönch die Aufforderung, sich binnen sechzig Tagen diesen 
Richtern zu Rom zu stellen. Man nahm also in den leitenden Kreisen 
Roms die Sache keineswegs so leicht, wie mitunter behauptet wird, 
wennschon Leo X. selbst, in seinen politischen und sonstigen weltlichen 
Interessen völlig aufgehend, die Tragweite der Sache nicht erkannte 
und das Ganze für ein vorübergehendes Mönchsgezänk hielt. Er 
erteilte dem neuernannten Augustinergeneral Gabriel Venetus im 
Februar den Auftrag, den Menschen zu besänftigen, glaubte also noch, 
mit gütlichen Mitteln den Streit beilegen zu können. Allerdings erhielt 
wenige Wochen später, Anfang Mai 1518, der nach Deutschland ab- 
gehende Kardinallegat Thomas de Vio aus Gaeta (lat. Gastanus, 
woraus man dann Cajetan machte) neben seinen politischen Instruktionen
	        
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