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pfindende Seele des Mannes thun läßt, noch immer zu keinem Resultate
kam, sondern im Gegenteil der Mönch sich mit der sieghaften liber-
zeugung seiner Unwiderleglichkeit aus der Schrift dem Kardinal ent-
gegenstellte, da herrschte ihn dieser an: „Geh, widerrufe, oder komme
mir nicht wieder unter die Augen!“ „Ich mag nicht weiter mit dieser
Bestie reden", sagte er dann zu Staupitz, „denn er hat tiefe Augen
und wunderbare Spekulationen im Kopfe.“ Zum Widerruf war aber
mun niemand weniger geneigt als Luther. Vor Notar und Zeugen
legte er eine Appellation „von dem schlecht unterrichteten Papst an
den besser zu unterrichtenden“ ab, dann aber verließ er, durch gute
Freunde rechtzeitig gewarnt, Augsburg heimlich bei Nacht und ritt auf
Nürnberg zu; da erreichte ihn das päpstliche Breve vom 23. August,
das den Kardinal ermächtigte, ihn als einen erklärten Ketzer mit
Zuhilfenahme der weltlichen Gewalt in Haft zu nehmen. Luther aber
kam am 31. Oktober wohlbehalten in Wittenberg an und that hier
einen weiteren Schritt, indem er an ein zukünftiges allgemeines Konzil
appellierte.
Man kann nicht leugnen, daß sein entschiedenes Vorgehen geeignet
war, dem Kurfürsten einige Verlegenheit wegen seiner weiteren Stellung-
nahme zu bereiten. Aber anderseits lag doch in dem vorzeitigen
und raschen Vorgehen der Kurie gegen Luther, ehe noch das Resultat
der vom Kurfürsten verlangten Besprechung zwischen Luther und Cajetan
in Erwägung gezogen werden konnte, eine Verletzung Friedrichs, und
bot einen formalen Grund, sich dagegen aufzulehnen. Vor allem aber
war die politische Lage dem Kurfürsten günstig und somit auch Lulhern.
Der Kampf um die Kaiserkrone wurde mit allen Mitteln der Intrigue,
namentlich aber mit Geld geführt. Karl von Spanien wie Franz 1.
von Frankreich sparten das Geld nicht; jenem griff der reiche Augs-
burger Jakob Fugger unter die Arme und konnte darum 1523 an
ihn schreiben: „Es ist auch wissentlich und liegt am Tag, daß Ew.
Kaiserliche Majestät die römische Krone außer mein nicht hätte erlangen
mögen, wie ich dann solches mit den Handschriften aller Eurer klaĩser-
lichen Kommissare anzeigen kann.“ Franz unterstützte sein wohlaus-
gebildetes Steuersystem, das ihm die Mittel eines reichen Landes zur
Verfügung stellte. Beide bearbeiteten die Kurfürsten mit Geld und
Versprechungen, von beiden nahmen die Kurfürsten mit offenen Händen,